Die neue Nase – ein Griff ins Klo

TRIER. Faszination Berühmtheit: Viele Jugendliche finden unter Stars wie Paris Hilton oder Brad Pitt Vorbilder in Sachen Aussehen. Doch sich dafür unters Messer legen? Ein Trierer Chirurg lehnt Schönheitsoperationen an Jugendlichen ab.

Sie ist bekannt für ihre aufgespritzte Lippe: Chiara Ohoven. Eine Gemeinsamkeit verbindet das Societygirl mit Britney Spears, denn beide ließen sich im Teenager-Alter vom Onkel Doc nachhelfen. Die amerikanische Sängerin unterzog sich im Alter von 17 Jahren einer Brustvergrößerung. Doch nicht nur Stars und Sternchen hoffen auf ein schöneres Äußeres nach einer Operation: Auch wenn es meist um das Anlegen von Ohren geht, so werden doch rund zehn Prozent aller ästhetischen Operationen in Deutschland an unter 20-Jährigen vorgenommen. Das errechnete die Vereinigung der deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. Menschen, die Erfolg und gutes Aussehen paaren, erscheinen uns täglich - sei es in einer Zeitschrift, dem Klatschmagazin im Fernsehen oder der Werbung. "Die Mädchen haben Vorbilder unter den Stars und wollen so aussehen wie sie. Das ist ein sehr großes Thema", sagt Ute Keiber-Schon, Sexualpädagogin bei Pro Familia Trier. Bilder üben Druck auf Jugendliche aus

Die müssten nicht mal prominent sein. Auch "No-Name-Girls" wie die Kandidatinnen bei Heidi Klums Show "Germany's Next Topmodel" gehörten dazu. Doch auch Jungen haben genaue Schönheitsideale im Kopf. "In der Werbung ist der Waschbrettbauch so präsent wie noch nie", sagt Michael Charles, ebenfalls Sexualpädagoge bei Pro Familia. "Durch diese Bilder entsteht Druck auf die Jugendlichen." Schließlich wolle man beim anderen Geschlecht durch stylisches Aussehen ankommen. Doch nur wenige Jugendliche ziehen wohl ernsthaft eine Schönheitsoperation in Betracht. Zu Dr. Klaus Hrynyschyn, Chefarzt der Abteilung Plastische Chirurgie am evangelischen Elisabeth-Krankenhaus, kämen jedenfalls selten Jugendliche, die sich solch eine OP wünschen, erzählt er. Derartige Eingriffe lehne er bei Teenagern unter 18 Jahren, die eine Einwilligung der Eltern benötigen, ab: "Die jungen Menschen sollten selber entscheiden können." Der Arzt befürchtet, dass sich Jugendliche leichter von anderen manipulieren ließen. "Sie sind mental noch nicht so gefestigt, dass sie sich gegen Einflüsse wehren könnten." Einen solchen Fall erlebte Dr. Hrynyschyn vor einigen Jahren, als ein 16-Jähriger auf Druck seiner Freundin die Nase von ihm korrigieren lassen wollte. Er schlug ihm in langen Gesprächen eine psychologische Beratung vor: "Er hat sich jedoch in einer anderen Klinik operieren lassen und war danach unzufrieden mit dem Ergebnis." Dass die neue Nase, Brust oder Lippe dann doch nicht der Wunschvorstellung entspricht, ist eines der Risiken solcher Operationen. "Eine Schönheitsoperation ist nicht umkehrbar, wie das Piercing, das man sich rauszieht, wenn es nicht mehr gefällt", sagt der Chirurg. Auch Michael Charles sieht die Schönheits-OP nicht als Lösung an: "Das Problem ist weniger der eigene Körper als das Bild von der idealen Figur. Wir müssen Jugendliche dahingehend stärken, dass sie sich so annehmen, wie sie sind." Schönheitsoperationen sollten kritisch hinterfragt werden: Wie geht es dir, wenn du eine andere Nase hast? Sind es dir die Risiken wert, dich operieren zu lassen? Sich diese Fragen rechtzeitig zu stellen, hätte vielleicht auch Chiara Ohoven gut getan: Mit 19, gut zwei Jahre nachdem sie ihre Lippen hatte aufspritzen lassen, bezeichnete sie in der "Bild"-Zeitung den Eingriff als "Griff ins Klo" und gestand: "Ich sehe das als Jugendsünde."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort