Ein Fähnchen für jedes arme Kind

TRIER. (red/ik) Statt Süßigkeiten wünschen sich Kinder aus verschuldeten Familien zunehmend lebensnotwendige Dinge wie warme Kleidung. Das ist eine der Beobachtungen, über die sich das Personal der Caritas-Schuldnerberatungsstellen im Bistum jetzt bei einem Treffen in Trier ausgetauscht hat. Fazit: Durch Hartz IV haben sich die Probleme verschuldeter Familien verschärft.

 Zwei Fähnchen für ihre Söhne: Lucia Sicali-Safari nutzte die Fähnchensteckaktion des Trierer Kinderschutzbundes am Weltkindertag 2006, um auf die Armut, aufmerksam zu machen, in der sie mit ihren Kindern lebt. Viele unserer Leserinnen und Leser unterstützten sie in einer spontanen Weihnachtsaktion. TV-Foto: Archiv/Katja Krämer

Zwei Fähnchen für ihre Söhne: Lucia Sicali-Safari nutzte die Fähnchensteckaktion des Trierer Kinderschutzbundes am Weltkindertag 2006, um auf die Armut, aufmerksam zu machen, in der sie mit ihren Kindern lebt. Viele unserer Leserinnen und Leser unterstützten sie in einer spontanen Weihnachtsaktion. TV-Foto: Archiv/Katja Krämer

Wenn die Familie überschuldet ist, leiden Kinder ganz besonders: Ihnen bleiben auf Grund der Armut Chancen verwehrt. Vielen Familien könnten ihren Kindern beispielsweise keine Kommunionausstattung oder -feier bezahlen, sagt Heribert Rhoden, Referent für Armut und Existenzsicherung im Diözesan-Caritasverband. Besonders deutlich trete die Not immer zu Beginn eines Schuljahres auf, wenn Geld für Bücher, Mal-Utensilien und Hefte fehle. "Lernmittel-Gutscheine" deckten die Schulbuchkosten oft nur teilweise ab. Betroffen seien vor allem einkommensschwache Familien und allein erziehende Mütter und Väter. Keine Beihilfen für Lernmittel

Die Mitarbeiter der 16 Caritas-Schuldnerberatungsstellen im Bistum Trier haben jetzt bei einem Treffen auf Diözesanebene in Trier beraten, wie Kindern in verschuldeten Haushalten ein Leben in Würde ermöglicht werden kann. Hintergrund: Seit die Sozialreform Hartz IV in Kraft getreten ist, hat sich die Situation vieler verschuldeter Familien nach Beobachtung der Experten weiter verschlechtert. Ein Indiz dafür lieferten die "Wunschbaumaktionen" unter anderem in Trier, Bitburg und Neuwied. Die Caritas fragte Wünsche von Kindern ab und bat um entsprechende Spenden. "Dabei war der Trend deutlich, dass nicht mehr, wie früher, nur Spielzeug oder Süßigkeiten gewünscht werden, sondern lebensnotwendige Dinge: Kleidung, Winterstiefel, Wäsche und vor allem Schulmaterial", berichtet Rhoden. Wer Arbeitslosengeld II (Alg II) bezieht, erhält seit der Umsetzung von Hartz IV - anders als zuvor im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) - keine zusätzlichen Beihilfen mehr, um den Lernmittelbedarf von Schülern sicherstellen zu können. Die Ausstattung der Kinder mit Schulbüchern sei jedoch eine wesentliche Voraussetzung für ein wirksames Lernen und damit für die Chancengleichheit aller Kinder, betonen die Caritas-Experten. Insgesamt kamen 2005 rund 5500 Frauen und Männer in die Schuldnerberatungsstellen der Caritas, um ihre finanzielle Situation zu ordnen und sich über ein Entschuldungsverfahren beraten zu lassen. Familien, die vom Arbeitslosengeld oder Hartz IV leben, machen laut Caritas einen hohen Prozentsatz der Ratsuchenden aus. In der Schuldnerberatungsstelle der Caritas im Kreis Trier-Saarburg sind es beispielsweise 40 Prozent. Die Caritas stellt sich mit der Thematisierung von Kinderarmut als Folge von Hartz IV in eine Reihe von Wohltätigkeitsorganisationen, die in den vergangenen Monaten immer wieder auf das Problem aufmerksam gemacht haben. Für Aufregung hatte vor allem eine im Herbst 2006 veröffentlichte Studie des Kinderschutzbundes gesorgt: Danach stieg die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die auf Sozialhilfe-Niveau leben, von 1,15 Millionen am 31. Dezember 2004 - also vor der Einführung von Hartz IV - bis zum Sommer 2006 auf mehr als 2,5 Millionen an. Das ist eine Steigerung um mehr als 100 Prozent. Der Trierer Kinderschutzbund hatte in der Folge mit einer spektakulären Aktion auf die Kinderarmut in der Region aufmerksam gemacht: 3500 Fähnchen symbolisierten im Palastgarten die 3500 Kinder unter 16 Jahren, die laut Berechnungen der Organisation in der Stadt Trier und dem Kreis Trier-Saarburg unter der Armutsgrenze leben.

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