Experimentierfreude hat Grenzen

"Pubertät ist ein ständiger Veränderungsprozess für Kinder und Eltern", sagt Diplom-Psychologin Birgit Wald von der Lebensberatungsstelle des Bistums in Saarburg. Das berge Konfliktpotenzial, könne aber mit Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sowie Konzentration auf Wesentliches gemeistert werden.

Trier. In ihrer täglichen Beratungspraxis wird Birgit Wald immer öfter mit Anfragen von Eltern pubertierender Jugendlicher konfrontiert. "Typische Probleme, meist im Alter von 15 bis 16 Jahren, sind Alkohol- oder Drogenkonsum." Eltern schilderten, ihre Tochter rauche Wasserpfeife, weil sie das für gesünder halte als normales Rauchen. Andere erzählten, ihr Sohn übergebe sich nach maßlosem Alkoholgenuss. "Glücklicherweise sehen Eltern das noch als Problem", sagt Birgit Wald. Denn so normal Experimentierfreudigkeit zur Selbstfindung Jugendlicher auch seien, Grenzen gehörten dazu. "Die sollte man im Kopf behalten, sich aber flexibel zeigen." Eltern könnten keinen größeren Fehler machen, als mit einem rigiden oder autoritären Ton, wie sie ihn vielleicht in den Kinderjahren ihrer Sprösslinge angewandt hätten, stur an ihren Vorstellungen festzuhalten. "Man sollte verhandeln und vor allem erklären, auch mal Unrecht zugeben." Denn nicht selten probierten Jugendliche (Beispiel Alkoholgenuss) im Übermaß das aus, was die Eltern ihnen vorlebten. Oder das ganze Gegenteil davon, etwa im Fall der Wasserpfeife: "Hier besteht aber die Chance, über Aufklärung zu einem neuen Umgang miteinander zu finden." Die Eltern könnten über den Irrtum, diese Form des Rauchens sei gesünder, aufklären und zu einer Recherche im Internet anregen: "Damit signalisieren sie ihrer Tochter Vertrauen in ihre Vernunft, Kompetenz und Selbstständigkeit." In der frühen Pubertät sei dabei jedoch Vorsicht geboten: "Viele Eltern überfordern ihre Kinder mit Ansprüchen, weil sie meinen, die körperliche Entwicklung korrespondiere mit der psychischen." Oft hielten sie die sexuelle Aufklärung nicht für nötig, aber die sei äußerst wichtig: "Auch wir Erwachsenen wollen bei Veränderungen ja wissen, was auf uns zukommt, um damit umgehen zu können."Schamgefühl des Kindes beachten

Doch Behutsamkeit sei gefragt, denn mit dem Körper entwickele sich Schamgefühl und das Bedürfnis nach Intimität, sagt die Psychologin. "Dem muss auch das tägliche Zusammenleben angepasst werden. Eltern sollten nicht mehr unbedingt nackt durch die Wohnung laufen, und ein Schlüssel gehört unbedingt ins Badezimmer." Ohne anzuklopfen sollten die Zimmer der Jugendlichen nicht betreten. "Da gibt es zwar das Dauerbrennerthema unaufgeräumtes Zimmer mit schimmeligen Jogurtbechern, aber da kann man nur appellieren, und wenn es gelingt, loben." Immerhin sei nicht nachweisbar, dass chaotische Zimmer mit Leistungsabfall in der Schule einhergingen, beruhigt Birgit Wald. Letzterer sei im Alter von zwölf bis 13 Jahren genauso normal, wie später Experimente mit dem eigenen Aussehen und die Ausbildung teils vehement vertretener eigener Ansichten. Niemals solle man darauf mit Liebesentzug reagieren. "Auch wenn es Eltern so vorkommt: Diese Sprunghaftigkeit dauert nicht ewig. Sie müssen nur berücksichtigen, dass ihnen die Jugendlichen immer einen Schritt voraus sind, und dass sie sich anpassen müssen." Um den Konfliktpegel so niedrig wie möglich zu halten, rät die Psychologin: "Nicht zu viele Forderungen stellen. Lieber überlegen, was wirklich wichtig ist." Der Prozess der Loslösung gelinge am besten mit liebevoller Toleranz - von beiden Seiten. Deshalb ein Tipp von Birgit Wald an Jugendliche: "Auch Eltern entwickeln sich, lasst ihnen Zeit!"Birgit Walds Buchtipp: Pubertät - Ein Survival-Guide für Eltern und Teenager, von Elizabeth Fenwick und Tony Smith, Ravensburger Verlag.

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