Frieden unterm Tannenbaum

TRIER. Ruhig und harmonisch - so wünschen sich die meisten Menschen das Weihnachtsfest. Doch die Realität sieht oft anders aus, denn große Nähe und hohe Erwartungen verursachen emotionalen Stress. Über Tipps zur Verringerung des Konfliktpotentials sprach der TV mit zwei erfahrenen Psychologen.

"Konflikte, die das ganze Jahr über schwelen, erhalten Weihnachten besondere Prägnanz. Einmal, weil man eng zusammen sitzt und zum anderen weil die Erwartungen an Harmonie und Frieden so groß sind, dass sie gar nicht erfüllt werden können", sagt Philipp Klüsche, der eine psychologische Praxis in Hermeskeil betreibt. "Dazu kommt hoher Leistungsdruck, alles muss perfekt und erledigt sein", ergänzt Birgit Wald, Psychologin aus Trier und Beraterin in der Lebensberatungsstelle Saarburg. "Das betrifft nicht nur Organisation und Geschenke, sondern auch Probleme, die man vorher noch schnell lösen will, damit das Fest auch nur ja friedlich verläuft. Die Gefahr der Enttäuschung, wenn es nicht klappt, ist sehr groß."Aggressive Reaktionsmuster

Druck und Stress führen dazu, dass die Beteiligten oft gegen ihren Willen in aggressive Reaktionsmuster verfallen. "Überall da, wo Entscheidungen getroffen werden müssen, etwa welches Fernsehprogramm angeschaut wird, entsteht dann Streit", sagt Philipp Klüsche. Seine Tipps zur Vermeidung von unnötigen Spannungen lauten: Ungelöste Konflikte weit vor Weihnachten klären. Sie sollten keinesfalls ausgerechnet am Fest auf den Tisch kommen. Allen Familienmitgliedern das Recht einräumen, sich eine Auszeit zu nehmen. Planen, welche Zeit zusammen und welche alleine verbracht werden soll. Nicht zwanghaft Gemeinschaft fordern, zu viel Nähe kann belasten. Gelassenheit statt Perfektion walten lassen, zum Beispiel das Haus nur zu 70 statt zu 100 Prozent säubern. Wünsche und Erwartungen jedes einzelnen aussprechen, dann einen Rahmen abstecken, dem jeder zustimmen kann. Auch der Aufwand für Essen und Bewirtung sollte dabei geklärt werden, damit es nicht zu Frust über zu viel Stress und mangelnde Hilfe kommt. Schon im Jahresverlauf mit Verwandten absprechen, wer wen wann besucht, damit es zu Weihnachten keine Enttäuschung gibt. I m Konfliktfall Abstand gewinnen und etwas Ausgleichendes für sich tun. "Besonders wichtig ist gute und frühzeitige Planung des Weihnachtsfestes im Falle einer Krisensituation, wie zum Beispiel einer Ehescheidung", betont Birgit Wald. Um Trennungskindern Stress zu ersparen empfiehlt sie: Eltern sollten sich vorher Zeit nehmen, Absprachen zu treffen. Rivalität bei den Geschenken unter allen Umständen vermeiden. Bewährte Rituale beibehalten, zum Beispiel das Baumabsägen im Wald mit dem Vater oder das Plätzchenbacken mit der Mutter. Die Kinder sollten dort feiern können, wo sie sonst leben. Nur nach Absprache einen anderen Ort wählen. Besuche bei den Großeltern vorher vereinbaren: Wer geht mit wem wohin? Die Vereinbarungen für die Kinder sichtbar im Kalender festschreiben. Eine Patentlösung, so beide Experten, gebe es nicht. "Aber grundsätzlich sind alle Rezepte gegen Stress auch für Weihnachten anwendbar", sagt Birgit Wald und formuliert eine überdenkenswerte Idee: "Warum nicht die Erwartungen über das ganze Jahr verteilen und 365-mal das Fest des Friedens feiern?"

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