Geschichte - kompakt, komplex, kompliziert

Trier · Eine Kooperation zwischen den Kultur- und Bildungseinrichtungen der Stadt zum Ersten Weltkrieg ist eine wichtige Gelegenheit, an Vergessenes zu erinnern und Vergangenes zu aktualisieren. Leider wurde diese Chance in einer Doppelproduktion des Trie rer Theaters am Sonntag im Großen Haus nur halbherzig genutzt.

 Makabres Spiel der Mächtigen: In „Wahnsinn wäscht die Hände“ verkörpern Darsteller des Trie-rer Theaters, hier Alina Wolff und Christian Miedreich, Diplomaten und Herrscher Europas zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Foto: Theater

Makabres Spiel der Mächtigen: In „Wahnsinn wäscht die Hände“ verkörpern Darsteller des Trie-rer Theaters, hier Alina Wolff und Christian Miedreich, Diplomaten und Herrscher Europas zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Foto: Theater

Trier. Die lokale Prominenz war recht zahlreich erschienen. Vertreter von Stadt, Universität und Land gaben sich am Sonntagabend die Klinken in die Hand, auch das Fernsehen war dabei. Insgesamt hatten sich allerdings nur etwa 220 Besucher im Trie-rer Theater eingefunden, um sich die beiden Inszenierungen zum Ersten Weltkrieg anzuschauen.
Die spektakulären Titel der Doppelproduktion, "Wahnsinn wäscht die Hände" und "Aufmarsch Trier", erwiesen sich ebenso wenig als Zuschauermagnet wie die Tatsache, dass Studierende der Trierer Universität unter Leitung von Historiker Christian Jansen ein Jahr lang intensive Vorarbeit geleistet hatten.Säbelrasseln und Intrigen


Schade, zumindest für die erste der beiden Produktionen. Nachdem Triers Kulturdezernent Thomas Egger und ADD-Präsidentin Dagmar Barzen ihre rhetorischen Pflichtübungen erledigt hatten, begann auf der Bühne ein makabres Spiel um Macht, Intrigen, Unterstellungen, aufgeblasenes Selbstbewusstsein und militaristisches Säbelrasseln, verschärft von teils partiellem, teils totalem Realitätsverlust.
Intendant Gerhard Weber, Musikdramaturg Peter Larsen und Studierende hatten die unmittelbare Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs in ein vielschichtiges Szenarium gefasst. Requisiten wie Billardtisch oder Angelroute signalisierten das Wohlstandsleben der oberen Zehntausend. Die Akteure Alina Wolff, Barbara Ullmann, Christian Miedreich, Tim Olrik Stöneberg, Klaus-Michael Nix und nicht zuletzt der überregional bekannte Theater- und Fernsehschauspieler Michael Mendl, der aus historischen Dokumenten las - sie alle vermittelten bis in die Sprache hinein, wie abgehoben von der Wirklichkeit man in Europas Hauptstädten damals über das Schicksal von Millionen entschied. Der Kriegsbegeisterung unten entsprach die Arroganz der Mächtigen oben. Das konnte nicht gutgehen.
Leider erreichte die zweite Produktion nicht die Schlüssigkeit der ersten. Dabei hatte die Studierendengruppe für "Aufmarsch Trier" etliche Details ausgegraben - das Notabitur 1914 beispielsweise, um junge Leute rasch zum Militär zu entlassen, Briefe aus der Kriegsgefangenschaft, Tagebuch-Aufzeichnungen oder, quasi als Leitmotiv, das Spiel "Mensch ärgere dich nicht", das ausgerechnet im Krieg zum Bestseller aufstieg. Trotzdem blieb die Spannung aus.Zweiter Teil zu lang


Das "Oratorium" von Triers Chefdramaturg Peter Oppermann und Steffen Lars Popp geriet deutlich zu lang. Fast zwei Stunden lang folgte Zitat auf Zitat, mühsam aufgelockert durch Schlagzeug-Intermezzi (Oliver Augst) und Positionswechsel der Akteure (Markus Friedmann, Klaus-Michael Nix, Tim Olrik Stöneberg, Alina Wolff).
Von den Segnungen des Rotstifts machte man keinen - oder jedenfalls zu wenig Gebrauch. So dümpelte die halbszenische Dokumentation in ermüdender Einförmigkeit vor sich hin, und nach insgesamt drei Stunden (für beide Produktionen) blieb es am Ende bei magerem Höflichkeitsbeifall.
Vor Beginn waren noch Irritationen aufgekommen, weil die Ordnerinnen auftragsgemäß nur die ersten Reihen freigaben. Wer bessere Plätze bezahlt hatte, musste sich unter Protest mit den billigeren zufriedengeben.

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