Getrennt leben – gemeinsam Eltern

TRIER. Seit Juli 1998 verpflichtet ein neues Kindschaftsrecht Eltern im Fall einer Scheidung weiterhin zur gemeinsamen Fürsorge zum Wohl des Kindes. Nach Möglichkeit sollen sie sich selbst auf ein gemeinsames Konzept für Sorge, Umgang und Unterhalt einigen. Zur Unterstützung verweisen Familiengerichte und Jugendämter auf Beratungsangebote wie das der Lebensberatungsstellen des Bistums Trier.

Birgit Wald arbeitet in der Lebensberatungsstelle des Bistums Trier in Saarburg. Bei ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen suchen Mütter und Väter Rat, die nicht länger als Paar zusammenleben wollen und nun vor der Aufgabe stehen, sich über gemeinsame Regelungen zum Wohl ihrer Kinder einigen zu sollen. "Im Gegensatz zu früher, als Familiengerichte über das Sorgerecht und dabei oft über Köpfe hinweg entschieden haben, setzt das neue Kindschaftsrecht auf Eigenverantwortung und will damit erreichen, dass beide Elternteile dem Kind erhalten bleiben", sagt die Diplom-Psychologin. Trotz Trennung sollen sie sich über alle für das Kind bedeutenden Angelegenheiten wie Aufenthaltsort, Umgang und Unterhalt gemeinsam verständigen. Doch in der Praxis gibt es oft Probleme: "Vielen fällt es schwer, ihre Paarkonflikte von der gemeinsamen Elternaufgabe zu trennen. Zu oft stehen Kränkungen im Raum, vor allem, wenn ein neuer Partner oder eine neue Partnerin im Spiel ist", weiß Wald. Dann sei die Gefahr groß, dass eigene unbewältigte Konflikte über die Kinder ausgetragen würden. In der Beratung werde versucht, eine sachliche Ebene zu finden, die an die gemeinsame Aufgabe appelliere. Der Idealfall einer "guten Trennung" sehe so aus, dass unterschieden werde: "Ich trenne mich von dir als Partner, schätze dich aber weiterhin als Mutter oder Vater unserer Kinder." Diese Wertschätzung trotz allem aufrechtzuerhalten, sei von enormer Bedeutung. "Für die Identitätsentwicklung eines Kindes ist es wichtig, dass es stolz sein kann auf das, was es von Mutter und Vater mitbekommen hat. Macht man zum Beispiel aus Schmerz und Wut den ehemaligen Partner permanent schlecht, stürzt man das Kind in eine tiefe Krise." Schon Kleinkindern könne man differenziert, vielleicht als Vergleich mit einem Kindergartenstreit, vermitteln: "Papa ist ein lieber Papa, auch wenn ich ihn im Moment nicht mag." Doch selbst bei einer "gut" verlaufenen Trennung, bei der einvernehmliche Regelungen über Alltag, Besuchsrecht, Feiertags- und Urlaubsrahmen sowie den gemeinsamen Wertekanon ("Wozu wollen wir unsere Kinder erziehen?") gefunden worden seien, litten die Kinder und fielen in der Regel in Kindergarten und Schule auf. "Eine Woche ist für ein kleines Kind eine Ewigkeit, wenn es darauf warten muss, wieder den Papa oder die Mama sehen zu können", sagt die Psychologin. Viele Kinder weinten nach einem Besuchswochenende, natürliche Folge von Abschiedsschmerz und Trauer. Kinder leiden unter jeder Trennung

Keinesfalls solle man sie mit Fragen überfluten oder sagen: "Da darfst du nicht mehr hin", sondern sie wohlwollend empfangen, in Ruhe ankommen lassen, ihnen helfen, die Trauer zu bewältigen oder zusätzlichen telefonischen Kontakt einräumen. Vielen Eltern sei nicht bewusst, wie leicht sie Loyalitätskonflikte herbeiführten: "Wenn ein neuer Partner auftaucht und Eifersucht ist im Spiel, wird das Kind gerne ausgehorcht. Es gerät dann in die Zwickmühle, ob oder was es erzählen darf, weil es ja keinen hintergehen will." Oder Jugendliche fühlten sich durch Schuldgefühle unter Druck gesetzt: "Das ist doch mein Wochenende, Papa, da kannst du doch nicht mit Freunden grillen gehen!" Um solche Probleme zu vermeiden, sollten Absprachen immer wieder neu getroffen werden. Die wichtigste Grundhaltung, um sich einigen zu können, sei der Respekt vor dem ehemaligen Partner, der sich in Achtung seiner und der Rechte des Kindes, seiner Person, seiner elterlichen Fähigkeiten, aber auch in eigener Fairness und Verlässlichkeit ausdrücke. "Den leichtesten Zugang zu dieser Haltung findet man mit der Überlegung, was man am meisten an ihm oder ihr geschätzt und geliebt hat", sagt Birgit Wald. Das mache zwar traurig, aber wenn man sich mit dieser Trauer aktiv auseinander setze, könne man trennen: "Was betrifft mich, was das Wohl des Kindes?" Beratung und Unterstützung in Scheidungssituationen bieten das jeweilige Jugendamt sowie alle Erziehungs- und Lebensberatungsstellen. Eine sehr informative Broschüre mit dem Titel "Eltern bleiben Eltern" kann kostenlos bei der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V. (DAJEB), Neumarkter Straße 84 c, 81673 München oder unter www.dajeb.de angefordert werden.

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