Hauptsache ohne Eltern

TRIER/KIEL. (dpa/red) Trampen und Interrail haben ausgedient: Wenn es ohne Eltern in den Urlaub geht, buchen immer mehr Jugendliche Pauschalangebote. Selbst organisierte Reisen in Kleingruppen sind aber auch gefragt.

Wenn 16-Jährige ihre Eltern fragen, wie sie zu Teenagerzeiten verreist sind, folgt oft das große Staunen: Mit dem Fahrrad allein an der Weser entlang? Trampen? Als Interrailer von einem europäischen Bahnhof zum anderen? Urlaube wie diese sind im 21. Jahrhundert für viele nicht vorstellbar. "Interrail und Trampen sind bei den 14- bis 18-Jährigen völlig aus der Mode gekommen", sagt Professor Martin Lohmann, Leiter des Tourismusforschungsinstituts NIT in Kiel. Stattdessen stehen Pauschalreisen hoch im Kurs. Egal, ob zusammen mit den Eltern, Freunden oder der Fußballmannschaft gereist wird: Von Vereinen und Kirchen organisierte Touren und die Angebote kommerzieller Veranstalter werden von Jugendlichen stark nachgefragt. Vieles von dem, was Jugendliche von ihrem Urlaub erwarten, fängt mit dem Buchstaben S an: Sonne satt, Spaß am Strand, Segeln und Surfen, aber auch Sangria und Sex. Bei Letzterem sind Eltern in der Nähe eher hinderlich, so dass nach Möglichkeiten gesucht wird, ohne sie unterwegs zu sein. Mit Erfolg: Bereits im Alter von 13 bis 15 Jahren unternimmt jeder Zweite zumindest eine Urlaubsreise im Jahr ohne Mama und Papa, hat das Institut für Jugendforschung (IJF) in München im Jahr 2003 herausgefunden. Bei den 16- bis 18-Jährigen waren es dann 73 Prozent. Ohne Eltern stehe "Strandurlaub mit Feiern und Party" im Mittelpunkt, mit Eltern "Strandurlaub mit Erholung". Genau diesen Unterschied sehen - oder befürchten - auch die Eltern selbst: "Die erste Frage, die uns Eltern stellen, ist die nach der Reiseleitung", sagt Thomas Gehlen, Geschäftsführer des Veranstalters Ruf Jugendreisen in Bielefeld. Bei Ruf gibt es dazu ein nach dem Alter gestaffeltes Konzept: 12- und 13-Jährige werden in kleinen Gruppen intensiv betreut; bei 16-Jährigen und Älteren geht es auch darum, gemeinsam abzutanzen und abends am Strand zu entspannen. Beim Programm kommt es auf eine gute Mischung an: "Jugendliche wollen im Urlaub Sport treiben und sich bewegen, aber auch einfach mal faul sein dürfen", sagt Lohmann. Andere möchten dagegen selbst in den Ferien weiter lernen, wie die vielen Sprachreisen für Schüler zeigen. Wichtig ist dem Experten zufolge aber in jedem Fall ein solides Betreuungskonzept: "Eltern sollten sich deshalb eher für Jugendreisenveranstalter interessieren, wenn die Kinder ohne sie auf Tour gehen." Veranstalter ohne diese spezielle Zielgruppe kämen erst stärker in Frage, wenn 18- oder 19-Jährige reisen. Dass Jugendliche des Öfteren auch allein auf Tour gehen, hat Christina Geiger vom Trierer Reisebüro Reisaus beobachtet: "Manche fliegen auch mit 16, 17 schon allein nach Thailand - wenn die Eltern es ihnen erlauben." Mit der Bahn fährt allerdings auch innerhalb Europas kaum jemand. "Flüge sind so billig geworden, da wäre ein Bahnticket teurer."Spezielles Programm in Familienhotels

Auch mit ihren Eltern fahren viele junge Leute in Urlaub. Sich 14 Tage an der Algarve in die Sonne zu legen oder mit Mama und Papa griechische Altertümer abzuklappern, klingt zwar nicht nach Partyspaß und Superurlaub. Die Pauschalreiseanbieter versuchen aber zunehmend, solchem Frust entgegenzusteuern. So bietet etwa Thomas Cook Reisen im Sommer erstmals kostenlose "Action-Wochen" für 14- bis 16-Jährige an. In bestimmten Hotels gibt es lange Filmnächte, "Schwimmen unter Sternen" und Beachvolleyball-Turniere. "Wir haben unter unseren Kunden einen hohen Anteil von Familien mit Kindern in diesem Alter", erläutert Geschäftsführerin Gisela Sökeland in Oberursel (Hessen). Das Tagesprogramm für die Teenager unter dem Motto "Young Dreams" beginnt dabei täglich erst um 14 Uhr. "Die Jugendlichen schlafen halt gerne im Urlaub etwas länger", erklärt Sökeland. Zumindest das unterscheidet sie nicht von der Generation ihrer Eltern, die einst als Tramper oder Interrailer quer durch Europa getourt sind.

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