"Ich bin keine Marionette"

TRIER. Die Redaktion des "Distelblatts", der Schülerzeitung des Max-Planck-Gymnasiums, ist harte Arbeit gewohnt. Mit dem schwierigen Titelthema "Wille zum Gehorsam - Wie sich das MPG widerstandslos den Nazis unterordnete" gewann das Team den TV -Wettbewerb und damit ein Exklusiv-Interview mit Jeanette Biedermann.

Das Chaos scheint perfekt. In einer Stunde soll Jeanette auf dem Petrisberg auf der Bühne stehen, die Band "Silbermond" hat gerade mit ihrer Show begonnen. Deshalb sind Unterhaltungen nur mit erhobener Stimme möglich. Fotografen, Fernsehteams, Zeitungs- und Agenturjournalisten stürmen in ein Zelt im Backstage-Bereich und kämpfen um die besten Plätze, denn gleich wird die Pressekonferenz mit Jeanette Biedermann beginnen.Chaos im Pressezelt

Für die meisten Journalisten ist diese Aktion reine Routine. Für zwei noch sehr junge Vertreter ihres Fachs jedoch nicht. Nervös, aber konzentriert warten Benjamin Judith und Max Eberhard auf ihre Chance. Die beiden "Distelblatt"-Redakteure können es sich leisten, das Chaos im Pressezelt - ab der zweiten Sitzreihe übertönt "Silbermond" alle Fragen und Antworten - mit einer gewissen Distanz zu beobachten. Benjamin Judith setzt seinen ein DIN A 4-Blatt füllenden Fragenkatalog noch nicht ein - er müsste ohnehin brüllen, damit Jeanette ihn hört. Der Schüler des Max-Planck-Gymnasiums wird seine Fragen gleich direkt und exklusiv stellen können. Nach zehn Minuten ist das allgemeine Pressegespräch vorbei, die Menge zerstreut sich. Jetzt naht der große Moment der "Distelblatt"-Redaktion. Das Management musste zwar an die Interview-Zusage erinnert werden, reagierte dann aber freundlich und kooperativ. In Jeanettes Garderoben-Container kommt es zum Showdown. Wer Benjamin Judiths kritische Fragen vorher gesehen hat, macht sich auf interessante zehn Minuten gefasst."Kein bequemes 08/15-Interview"

Nervosität hin oder her - Judith zeigt, Jeanette direkt gegenüber sitzend, eine starke Leistung. Ohne Stocken oder Zögern schießt er seine Fragen ab - schließlich soll der Auftritt der Sängerin jeden Moment beginnen, und die Zeit ist knapp. "Was wären Sie, wenn Sie nicht im Showbusiness arbeiten würden?" Doch ganz so einfach bringt man die Interview-erfahrene Jeanette nicht aus der Fassung. "Ich würde immer im Showbusiness arbeiten." Schreibt sie ihre Texte selbst? Warum hat sie sich das Standbein Schauspiel abgesägt? Ist sie tatsächlich immer sie selbst, gerade in der Öffentlichkeit? Ups. Jeanette atmet tief durch. "Ich glaube, ich muss hier mal was klarstellen." Aha. "Ich werde zu nichts gezwungen, ich bin keine Marionette, man setzt mich nicht unter Drogen, um zu tun, was andere Leute wollen." Damit hat Benjamin Judith etwas provoziert, was den Fernsehteams im Pressezelt versagt blieb: eine spontane emotionale Reaktion. Freundlich geht das Gespräch zu Ende, das "Distelblatt"-Team überzieht gnadenlos die abgemachte Zeit. Benjamin Judith und Max Eberhard sind erleichtert. "Das war nicht besonders schwer", meint Judith. "Für uns war von Anfang an klar, dass wir kein bequemes 08/15-Interview machen wollen."

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