Im bebenden Herzen des Bunkers

TRIER. Hinter mächtigen Betonwänden entsteht in lichtlosen Kammern Musik. Ein Besuch im Trier-Norder Hochbunker – der Geburtsstätte eines Festivals, das am kommenden Samstag im Exhaus seinen 13. Geburtstag feiert.

Ein Knall zerreißt die abendliche Stille. Wie stellt man sich einen Bunker vor?Anders vermutlich, denn zwischen all den ehemaligen Kasernen sieht das Gebäude in der Karl-Grün-Straße aus wie ein dicker italienischer Palazzo. Nur zu. Statt großer mit Pilastern und Kapitellen geschmückter Fenster sind in seine Front bloß Lüftungsschächte eingelassen, unten rund, oben eckig.

Es knallt wieder. In der Thyrsusstraße schmeißen Jungs mit Böllern. Ein Auto hält vor dem Bunker. Aus ihm steigt ein Mann mit langen Haaren, nimmt etwas Sperriges vom Rücksitz und verschwindet hinter den trutzigen Betonmauern, die errichtet wurden, um die Menschen aus Trier-Nord im Zweiten Weltkrieg vor Bomben zu schützen.

Damals trieben Angst und heulende Sirenen die Menschen in den Bunker. Heute ist es der Wunsch, Deutsch-Pop zu machen - oder auch Death-Metal oder Reggae. Vor 13 Jahren hat das Exhaus den Bunker gekauft, um 23 lichtlose Kammern als Proberäume an Bands zu vermieten. Da jeder Raum doppelt belegt ist, proben inzwischen 46 Bands in dem nach dem verstorbenen Trierer Bluesmusiker Ludwig Kern benannten Gebäude. Am kommenden Samstag spielen 16 dieser Bands zum Bunker-Bebt-Festival im Exhaus.

Dröhnende Musik aus vier Stockwerken

Jenseits der Eingangstür des Trier-Norder Bunkers stirbt jeder Gedanke an italienische Paläste. Eine nackte Energiesparlampe beleuchtet Spinnweben über abblätterndem Putz, Mülltonnen und eine ehemals eierschalenfarbene Wand voll dilettantischer Graffiti. Ein rauchender Totenschädel ist das kunstvollste Gemälde.

Im Treppenaufgang prallt die dröhnende Musik aus vier Stockwerken aufeinander. Da helfen auch die vielen alten Teppiche, Eierkartons und Dämmmatten an den Wänden der Proberäume nichts.

Dritter Stock. Hellblaue Lüftungsrohre ragen aus den über und über mit Graffiti bedeckten Wänden. Im Proberaum hängen Kabel von der Decke. Wie fast in jedem Raum steht auch hier ein sperrmüllreifes Sofa. "Die nackten Frauen sind alle weg", sagt ein junger Mann mit Zipfelmütze, der sich nach eigener Aussage gerade in einem kreativen Loch befindet. An seiner Gitarre zupfend sitzt er auf dem Sofa und blickt auf die Wand, von der ihn statt nackter Mädchen nun Michael Knight anlächelt. Er und seine zwei Freunde sind nur ausnahmsweise im Bunker. Normalerweise probt eine andere Band in dem Raum.

Amüsiert zur Decke blickend hatten das auch die Musiker von "Thick as a Brick" bereits vermutet - genau ein Stockwerk tiefer spielen sie ihren "Tribute to Jethro Tull". "Wenn wir selbst spielen, hören wir das nicht mehr", tröstet sich einer von ihnen. "Thick as a Brick" proben in dem von ihnen als "Belle Etage" bezeichneten zweiten Stock, dessen Charme in der Tat nicht ganz so morbide ist wie jener des restlichen Bunkers.

Obwohl die Bandreihenfolge für "Der Bunker bebt" diesmal gelost wurde, stehen sie wieder als erste auf der Bühne des Balkensaals - und hoffen, dass am Samstag auch um 20.30 Uhr schon viele Leute in den Balkensaal gefunden haben.

"Colours of Blues" steht an einer der Türen, die vom Flur im ersten Stock abgehen, "Betteln und Hausieren verboten" an einer anderen. Heute gibt es viel zu viele Türen, denn die Bunker-Kammern waren ursprünglich keine fünf Quadratmeter groß. Nachdem das Exhaus den Bunker erworben hatte, wurden Zwischenwände herausgerissen. Das Gebäude finanziert sich über den Erlös des alljährlichen Festivals und über Mieteinnahmen: Zwischen 25 und 50 Euro zahlen Bands für Proberäume.

Die Instandhaltung laufe auf einer "nüchternen Basis" sagt der "Bunkerverwalter" Thomas Reinermann. Zweimal im Monat kommt die Putzfrau und reinigt Toilettenräume, die ohne großen Aufwand als Kulisse für den Film Trainspotting gedient haben könnten.

" 'Der Bunker bebt' hat inzwischen Kultstatus", sagt Reinermann, der auch für die Organisation des Festivals zuständig ist. Kamen im letzten Jahr 850 Leute, hofft er, dass es dieses Jahr 1000 Besucher werden. Los geht's auf jeder der drei Bühnen um 20.30 Uhr. Der Eintritt kostet 7,50 Euro.

Das Programm:
GROSSES EXIL:
Scapegoat 20.30 Uhr
Nanny Goat 21.30 Uhr
Trinity 22.30 Uhr
six:nil 23.30 Uhr
The Crush 0.30 Uhr
Flaming Toasters 1.30 Uhr

KLEINES EXIL:
Los Paul 20.30 Uhr
Devastation 21.30 Uhr
Fragments of the Behemoth 22.30 Uhr
Moranes 23.30 Uhr
Consequence of Sickness 0.30 Uhr

Balkensaal:
Thick as a Brick 20.30 Uhr
Candy Apple Grey 21.30 Uhr
Second Nature 22.30 Uhr
Colours of Blues 23.30 Uhr
Chimezia 0.30 Uhr

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