Kein Grund zur Panik

WITTLICH-WENGEROHR.Die Stunde der Wahrheit: Gestern gab es die Halbjahreszeugnisse. Schüler der Klasse 8 a der Dualen Oberschule in Wengerohr beschreiben ihre zwiespältigen Gefühle angesichts dieser Dokumente.

 "Oje ­ was für schlecht Noten!" werden gestern viele Schüler nach der Zeugnisausgabe gedacht haben. Hier ist die Lage jedoch anders, freundlicherweise mimte der Schüler die Verzweiflung bloß.Foto: Marion Maier

"Oje ­ was für schlecht Noten!" werden gestern viele Schüler nach der Zeugnisausgabe gedacht haben. Hier ist die Lage jedoch anders, freundlicherweise mimte der Schüler die Verzweiflung bloß.Foto: Marion Maier

Freitagmorgen in der Dualen Schule. "Ey was soll das? Ich hab' 'ne vier in Mathe. Ich dachte ich krieg 'ne drei!", tönt es von Sascha (Namen von der Redaktion geändert). Erleichtert kommt von Nadja: "Ich hab' keine sechs!" Dann die Einschränkung: "Doch, eine, in Englisch." Sven sitzt da und leiert alle seine Noten runter, während Karin nur guckt und grinst. Heute wurden im ganzen Land die Halbjahreszeugnisse ausgeteilt. Nicht unbedingt für alle Schüler ein Vergnügen.Probleme mit dem Klassenziel nicht selten

In der Bemerkung zu Nadjas Zeugnis heißt es: Sind die Leistungen im kommenden Halbjahr gleichbleibend, dann ist die Versetzung ausgeschlossen. Svens Versetzung ist zumindest gefährdet. Und die beiden sind nicht allein. Der Klassenlehrer der 8 a, Helmut Roth, erläutert: "Im Durchschnitt haben ein Viertel der Schüler Probleme, das Klassenziel zu erreichen. Die meisten schaffen es dann aber doch noch bis zum Ende des Jahres." Haben sie nun Angst, das Zeugnis zu Hause zu zeigen? "Schiss habe ich nicht", meint Sven. "Ich zeige es aber erst morgen, denn ich will heute Abend noch ins Kino gehen." Auch bei Nadja scheint Angst kein Thema zu sein. "Meine Eltern wissen Bescheid, mein Vater redet öfters mit Herrn Roth." Doch das ist nicht immer so. Roth: "Mit vielen Eltern haben wir keinen Kontakt, die kommen weder zu Elternabenden noch zu Sprechstunden. Normalerweise dürften Eltern am Zeugnistag nicht aus allen Wolken fallen, weil sie sich vorher hätten informieren können und auch die Klassenarbeiten unterschreiben müssen." Wie aber sollen die Eltern reagieren bei schlechten Noten? Roth plädiert für eine besonnene Lösungssuche: "Ein Donnerwetter bringt eh nichts. Die Eltern sollten zusammen mit den Kindern überlegen, wie sie die Situation in den Griff bekommen." Die Eltern sollten sich auch fragen, was sie falsch gemacht haben. Offensichtlich scheinen aber die wenigsten Eltern am Zeugnistag plötzlich den wilden Knecht Rupprecht mit der Rute zu spielen. In seiner 38-jährigen Lehrer-Karriere hat Helmut Roth es nur einmal erlebt, dass eine Schülerin aus Angst vor der Reaktion der Eltern weinend im Klassenzimmer zurückblieb und nicht nach Hause wollte. Die Eltern von Nadja und Sven haben schon einiges versucht, die Notenmisere ihres Nachwuchses zu bekämpfen. Beide Jugendlichen bekamen Nachhilfe. Ihr einmütiges Urteil: "Die hat nix gebracht." Bei Sven hat die Mutter das Hausaufgabenheft auch immer kontrolliert und mit dem Klassenlehrer eng kooperiert ­ ohne Erfolg. Svens selbstkritische Analyse: "Es liegt bei mir auch am Interesse, aber dann bin ich auch zu faul." Er, der einmal eine Klasse überspringen sollte, habe sich im Unterricht nur gelangweilt, weil er alles schnell verstand. Schließlich habe er nicht mehr aufgepasst, was dann zum Standard geworden sei. Bei Nadja liegt der Fall anders. "Ich habe eine angeborene Rechtschreibschwäche", sagt sie und wirft im Laufe des Gesprächs einen Satz ein, der die Frage aufwirft, ob er wirklich ernstgemeint ist: "Ich bin von Natur aus dumm." Ihre Eltern hatten ihr schon angedroht, den Fernseher und die Stereoanlage wegzunehmen - die Drohung blieb ohne Wirkung."Ich lerne für mich, nicht für jemand anderen"

Mit positiven Anreizen für gute oder zumindest bessere Noten hat in der Runde noch keiner Erfahrungen gesammelt. Sascha, der das feste Ziel Industriemechniker zu werden, vor Augen hat, hält das für Quatsch: "Ich lerne für mich, nicht für jemand anderen oder für einen Fernseher, der mir versprochen wurde. Wenn du arbeitest, verspricht dir auch keiner mehr was." Sascha beschreibt sein Zeugnis mit Noten zwischen zwei bis vier schlicht als normal, generell hält er diese Dokumente für nötig. "Vor allem das Halbjahreszeugnis ist wichtig, damit ich weiß, wo ich mich verbessern muss. Tina mit den guten Noten findet die Zeugnisse wichtig für die Selbsteinschätzung und die Bewerbung um die Lehrstelle. Sven meint grinsend: "Das einzig Dumme ist, dass man sie den Eltern zeigen muss." Und für Nadja ist klar: "Zeugnisse sind nicht nötig, die sind gemein!"

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