KOLUMNE

Jungs sind von Natur aus eifersüchtig. Das weiß ich mittlerweile aus eigenen emipirischen Studien. Besonders, was das Verhältnis zur eigenen Mutter anbelangt. Früher durfte ich noch nicht einmal ein fremdes Baby hochnehmen, ohne dass mein Sohn sich an mich drängte und verlangte: "Ich will auch auf den Arm." Heute, im zarten Alter von fast fünf Jahren, richtet sich seine Eifersucht ausgerechnet gegen den besten Kumpel: seinen Vater.

Eines Abends kuschelten wir auf der Couch, nur wir beide, Mutter und Sohn. Da kam mein Mann dazu und erdreistete sich, sich neben uns zu setzen. Zuerst traf ihn ein giftiger Blick. Und als das nicht half, bekam er einen Nasenstüber mit folgender Zurechtweisung: "Meine Mama, meine Frau." Sein Vater reagierte zunächst verdutzt und korrigierte seinen Spross: "Nein. Das ist deine Mama, aber meine Frau." Das hätte er nicht sagen sollen. Als ob er mit einem begriffsstutzigen alten Muli reden würde, betonte Nicholas jedes Wort einzeln: "Das ist meine Mama und meine Frau." Klug, wie sein Vater ist, beließ er es dabei, allerdings nicht ohne sich zu wundern, warum sein Sohn ausgerechnet auf ihn so eifersüchtig ist, und nicht ohne das Wort "Ödipus" zu zischeln, welches sich noch nicht im Wortschatz seines Sohnes befindet. Besserung ist kaum in Sicht - weder von Seiten des Sohnes noch von Seiten des Vaters. "Wie gut, dass Nicholas nicht noch ein Geschwisterchen hat", stöhnte mein Mann schon. "Ich weiß nicht, ob das bei dem Bruder lange überleben würde." Doch Nicholas macht das Einzelkinddasein nichts aus. Im Gegenteil, er genießt es, sich morgens in unser Bett zu schleichen - manchmal mitten in der Nacht, wenn wieder bissige Krokodile oder gefährliche Fische hinter ihm her sind. Seit er ein neues Bett für große Jungs hat, sind seine Besuche zwar seltener geworden, aber es gibt für ihn kein königlicheres Vergnügen, als sich in der Besucherritze breit zu machen und morgens lautstark zu krähen: "Aufstehen." Damit allerdings keine Missverständnisse zwischen ihm und seinem Vater auftauchen, hat er sich vor Kurzem einen neuen Schlachtruf ausgedacht: Bevor er mit einem Satz ins Bett springt schreit er: "Achtung, hier kommt der Zwischenhai." Verona Kerl In unserer Kolumne "Familienbande" glossieren wechselnde Autoren den familiären Alltag.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort