KOLUMNE

Mein Kleiner ist jetzt ein großer Junge. Nicht nur, dass er vor kurzem drei Jahre alt geworden ist - also kurz vor der Volljährigkeit steht - nein, er geht seit einigen Wochen auch in den Kindergarten.

Das war schon länger sein innigster Wunsch gewesen, und die ersten Tage düste er voller Begeisterung gen Kita. Doch eines Morgens war Schluss mit lustig. "Maaaaaaaaaaaaaaaamaa, bleib bei mir. Ich will wieder nach Hause." Kein gutes Zureden half, und ich überlegte mir schon, welche Grausamkeiten an Nicholas wohl verübt worden waren. Und tatsächlich: Nach einigem Bohren kam ich dahinter. Nicholas war als jüngster Neuzugang ein gefundenes Fressen für die älteren Mädchen. Er eignete sich hervorragend zum Vater-Mutter-Kind-Spielen. Leider tat Nicholas das, was alle Kinder tun: Er wollte nicht auf seine Eltern hören, und so gab es handfesten Zoff. Schließlich wurde er von einer Fünfjährigen "gerettet" und alles war wieder im Lot. Doch auch am nächsten Tag wollte er nicht gehen. Im Kindergarten wiederholte sich das Drama vom Vortag, während ich mit eingezogenem Kopf aus dem Gruppenraum schlich und mir vorkam wie eine Rabenmutter. Seinem Vater erging es nicht anders, und mir graute immer schon vor dem nächsten Morgen. Die anderen Mütter warfen mir mitleidige Blicke zu, und die Erzieherinnen versicherten mir, dies sei völlig normal. Seltsamerweise nahm ich jeden Mittag ein strahlendes Kind in Empfang, das stolz berichtete: "Mama, ich hab Geschrei gemacht." Eines Morgens, als ich mich innerlich schon wieder gegen Nicholas' Todesschreie wappnete, passierte nichts. Er drückte mir ein Küsschen auf die Wange, nahm mir das Versprechen ab, ihn wieder abzuholen und verschwand in die Bauecke, um mit seinen neuen Kumpels zu spielen. Von da an verkündete er uns stolz: "Im Kindergarten ist es schön." Kein Wunder, passierten dort in jüngster Zeit Dinge, von denen Mama und Papa besser nichts wissen sollten. Bastelaktionen für Ostern etwa. Doch als er neulich abends seinem Vater beim zu Bett gehen erzählte, er habe im Kindergarten Wein getrunken, stutzte der. Der Wein entpuppte sich als roter Traubensaft zur Demonstration des christlichen Abendmahls - aber da hatte der Papa bereits versprochen, zum 18. Geburtstag eine 2002er Ürziger Würzgarten Auslese aufzumachen. Verona Kerl In unserer Kolumne "Familienbande" glossieren wechselnde Autoren den familiären Alltag.

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