KOLUMNE

D ie Beziehung zwischen Tochter und Vater ist seit jeher etwas Besonderes. Man(n) ist dem Mädchen gegenüber nachsichtiger als dem Sohn und erfüllt ihm fast jeden Wunsch. Wenn die Verhaltensforscher Recht haben, dass dieses Kokettieren und Um-den-Finger-Wickeln eine frühe Übung der jungen Damen für die künftige Partnersuche ist, brauche ich mir um die Zukunft meiner Tochter keine Gedanken zu machen.

So fiel meine Wahl "Welches Kinderl hätten's denn gern'" sofort auf Michelle: Ihr Zwillingsbruder Nicolas ging wegen einer Mandeloperation für eine Woche ins Krankenhaus, und ein Elternteil musste ihn begleiten. Schwiegermutter war es egal, ob Michelle oder ihr großer Bruder bei ihr schlief. So entschied ich mich mit einem leicht dahin gesagten "Wenn es weiter nichts ist", die nächtliche Obhut über die Vierjährige zu übernehmen. Das weibliche Wesen hat einen größeren Mitteilungsdrang als das männliche, und mein Töchterchen ist besonders weiblich. Kaum war ich von der Arbeit heimgekommen, spulte sie das Tagespensum an Worten in der kurzen Zeit vom Eintreten bis zum Zubereiten des Abendessens ab. Nach zehn Minuten wollte ich den Redefluss stoppen und flachste ein wenig herum. Die Kleine runzelte die Stirn, warf mir mit ihren vier Jahren ein "Papa, red' kein dummes Zeug" entgegen und plapperte weiter. Misstrauisch hätte mich auch ihre Ankündigung machen müssen: "Dann schlafe ich neben Papa im Bett." Die Aussicht auf nächtliche Zwiegespräche und Haarsträhnen, die im Schlaf meine Nase kitzelten, dämpften meine Vorfreude auf die Nachtruhe ebenso wie endlose Debatten um den richtigen Schlafanzug. Michelle hatte sich schon unnachgiebig ihre Kleidung ausgewählt, als sie ein zartes Jahr alt war. Mit tränenreicher Energie setzte sie einmal durch, dass zu einem roten Winterpulli nur pinkfarbene Leggins tragbar seien. In meiner Woche zog sie kontinuierlich die selbe Shirt-Hosen-Kombination an, so dass mich die Kindergärtnerin am dritten Tag fragte, ob unsere Waschmaschine kaputt sei. Und wo schlief Michelle? Nach dem Fünfkampf Abendessen-Ausziehen-Schlafanzugwählen-Zähneputzen-Hinlegen löschte ich das Licht in ihrem Zimmer, sank ins Bett - und erwachte in der Nacht durch den Geruch kleiner Füße vor meiner Nase. Mir war kalt, und neben mir guckte ein Haarschopf tief eingekuschelt aus meiner Decke. Eines steht fest: Wenn das nächste Mal ein Elternteil einen der Jungen ins Krankenhaus begleiten muss, werde ich mich selbstlos dazu bereit erklären. Männer müssen schließlich zusammenhalten. Außerdem zieht mir dort keiner die Bettdecke weg. Frank Schmitt In unserer Kolumne "Familienbande" glossieren wechselnde Autoren den familiären Alltag. Das gleichnamige Buch mit 60 Kolumnen ist für 9,90 Euro in allen TV-Pressecentern erhältlich.

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