KOLUMNE

Ratsch, ich traute meinen Augen nicht. Mein Brillenglas war entzwei. "Augenblicklich müssen neue Gläser her", schoss es mir durch den Kopf. Zweitbrille und Kontaktlinsen hatte ich nach dem Umzug aus den Augen verloren.

"Also, Augen zu und durch. Auf zum Optiker", dachte ich mir. Wenige Augenblicke später chauffierte mich meine Nachbarin zum Brillenmacher. Das zerbrochene Glas wurde provisorisch geklebt. "Für ein paar Tage", hieß es. Zwei Wochen später, als ich die Rohlinge sah, machte ich große Augen. Dick wie der Boden einer Colaflasche! "Das, mit dieser Brille, kann nur ins Auge gehen", dachte ich. "Sie müssen keine Bedenken haben, die werden noch geschliffen und sehen dann ganz anders aus", sagte der Opti-mist. Fehlanzeige! Ich drückte ein Auge zu, denn jeder hat eine zweite Chance verdient. Und wieder hatte der Optiker keinen Durchblick. Ich hatte die Nase voll und fasste ein anderes Brillenfachgeschäft ins Auge. Mehr als die ersehnte Fachkompetenz stachen mir dort sofort die psychologischen Verkaufstricks der Beraterin ins Auge. "Hier ein Espressochen", dort ein, von einem Dauergrinsen begleitetes "Sie sollen sich so richtig wohlfühlen." Anstatt meinem Wunsch nach zwei neuen Brillengläsern mit gleicher Form und Stärke nachzukommen, versuchte mir die Brillenfachfrau, ein neues Modell aufs Auge zu drücken. "Na gut", dachte ich mir. Drei Wochen später machte ich große Augen: statt entspiegelter Brillengläser funkelten mir zwei frisch polierte Glasscheiben entgegen. "Uns ist ein Fehler passiert, und ich möchte nicht, dass sie zu traurig sind", säuselte mir die Optikerin entgegen. Sie hatte wohl Tomaten auf den Augen. Sie hätte sehen müssen, dass ich langsam die Augen zusammenkniff. Auch Versuch Nummer vier scheiterte. Augenzwinkernd stellte mir diesmal ein junger Angestellter eine Flasche Sekt auf den Kundentisch. "Entschuldigung, aber es gibt da ein Problem…" Aller guten Dinge sind fünf, jedenfalls in meinem Fall. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge nahm ich acht Tage später meine Brille entgegen - gleiches Modell, gleiche Stärke. Und unter vier Augen gesagt: Gut, dass es das Sprichwort "Aus den Augen, aus dem Sinn" gibt. Katja Krämer In unserer Kolumne "Familienbande" glossieren wechselnde Autoren den familiären Alltag.

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