KOLUMNE

Septimus ist schwer krank. Für einen zweistelligen Betrag erfahre ich immerhin, dass die Ratte eine Streptokokken-Infektion hat. Für einen dreistelligen Betrag erhält das zwei Jahre alte Tier eine Spritzenkur.

Ihm geht's schlecht - mir auch. Bei mir liegt es vielleicht eher am Stress zu Hause. Kurz entschlossen wird die Ratte in den Reisekäfig gesteckt, die liebsten Gammelklamotten in eine Reisetasche und ich in meinen alten Fiesta. Hinter Karlsruhe schneit es ohne Ende, und ich grinse zum ersten Mal wieder: Das sieht schon eher wie Winter aus, während Trier wegen der drei Schneeflocken schon fast Großalarm auslösen möchte. Nach nur siebenstündiger Fahrt komme ich morgens gegen acht im tiefsten Schnee in meiner alten Heimat Titisee an - bei meiner besten Freundin Mirijam. Ihre zwei Großen sind schon in der Schule, aber die Kleine weigert sich gerade an diesem Morgen hartnäckig, in den Kindergarten zu gehen. Während mein Kaffee durchläuft, erörtern wir das Problem. Die dreieinhalbjährige Streikende holt in der Zwischenzeit schon einmal Septimus aus dem Käfig. Dass er ihr zwei Köttelchen auf den Pulli macht, bestätigt sie in ihrer Ansicht: "Das ist meiner!” Müdigkeit und die zu Hause wartenden Arbeitsberge sind schnell vergessen, es muss gekocht werden, denn die zwei Großen kommen gleich aus der Grundschule. Alle reißen sich um Septimus - ich denke lakonisch: "Zu dritt können sie ihn ja schlecht vierteilen." Später zanken sich meine geliebten Patentöchter um den besten Platz im Bad. "Wozu habt ihr jetzt eigentlich eine Wohnung mit drei Waschbecken, wenn alle nur an eines wollen?”, frage ich, die Kinderlose, erstaunt. Mirijam blickt mich verständnislos an: "Wofür wohl? Damit ich alle drei putzen kann.” Wir sitzen noch bis in den späten Abend in der Küche und erzählen. Einmal auf dem Weg ins Bad höre ich eine leise Stimme. Sollten nicht alle schlafen? Ich lausche klammheimlich an der Tür. Die Älteste liest Septimus aus einem Schulbuch vor. Wir haben sie nicht dabei gestört, aber am nächsten Morgen gefragt. Sie antwortete: "Er ist doch krank. Da braucht er doch eine Gute-Nacht-Geschichte.” Sabine Brudny In unserer Kolumne "Familienbande" glossieren wechselnde Autoren den familiären Alltag.

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