"Stop mal!" Ich bin mit meiner Tochter in der Stadt unterwegs. "O Mama, nicht schon wieder", stöhnt das Mädchen angesichts der Tatsache, dass es mich zum Verkaufsständer eines Schuhgeschäftes zieht. "Aber guck doch mal," entgegne ich "hast du schon mal so ein tolles Rot gesehen? Diese Schuhe wären perfekt zu meinem orangen Rock." Schon entschwinde ich mit den hochhackigen Kunstwerken ins Innere des Ladens, probiere - und sie passen. O Jubel über Jubel, das Paar ist auch noch reduziert. "Gekauft", sage ich. "Mama, damit kannst Du doch gar nicht laufen", belehrt mich mein Kind. "Was macht das schon. Mit solchen Schuhen läuft man nicht, damit steht man elegant in der Gegend herum", denke ich mir.

Und dann diese Genugtuung: In meiner Größe, zu dem Preis. Vorbei die Zeiten, als ich mit gesenktem Kopf ins Schuhgeschäft schlich, hinter vorgehaltener Hand fragte: "Führen Sie auch Damenschuhe in Größe 42 bis 43?" Woraufhin der entsetzte Blick der Verkäuferin an mir hinabwanderte und sie mich diskret aufforderte, ihr unauffällig zu folgen. In der hintersten Ecke des Ladens konnte ich dann meine Wahl zwischen einem Paar konservativer Lackschuhe, flach natürlich, Wanderschuhen der Marke "bequem aber unflott", Turnschuhen und den obligatorischen Birkenstocks treffen. Seither zögere ich keine Sekunde mehr, wenn mir durch Zufall schöne und vor allem bunte Schuhe in die Hände fallen. "Schon wieder neue Schuhe?" Mein Mann wundert sich. "Du hast doch erst dreißig Paar, oder waren es schon vierzig?" Kritische Anmerkungen dieser Art pariere ich mit stoischer Gelassenheit. Die Argumente sind eindeutig auf meiner Seite. Erstens wird die Haushaltskasse längst nicht so belastet, als hätte ich mir gleich ein ganzes Outfit gekauft. Zweitens halten die einzelnen Schuhe lange, weil deren Tragedauer durch die große Anzahl gering ist. Und dann - das überzeugt ihn jedes Mal wieder - kommt er in den Genuss, ein immer perfekt gewandetes Weib an seiner Seite zu haben. Ab und zu kann er sogar den heldenhaften Retter spielen, dann nämlich, wenn ich mit einer meiner hochhackigen Neuerwerbungen auf einer Treppe ins Straucheln komme... Dank meiner Schuhe bin ich Vamp oder Wandervogel, Clown oder Lady. Schwierig wird's nur, wenn wir mal wegfahren. Kostet es mich schon viel Zeit, die Kleidung für verschiedene Anlässe einzupacken, wie viel mehr Mühe machen die Schuhe! Einerseits müssen sie das Outfit abrunden, andererseits ihren jeweiligen Zweck erfüllen. Und dann kann ich ja nur eine Kiste voll mitnehmen, meine drei Jacken müssen schließlich auch noch ins Auto. "Dass ihr Frauen es euch so schwer macht," sagt mein Mann und packt sein einziges Paar Ersatzschuhe ein. Die passen immer und zu allem. Ich versuche, es ihm gleich zu tun. Es klappt einfach nicht. Das Hauptproblem ist die nicht kombinierbare Farbe eines unentbehrlichen Kleides. Doch da kommt die rettende Idee. Der Schlussverkauf läuft und alles ist reduziert. Ich gehe gerade eben noch mal in die Stadt... Anke Emmerling In unserer Kolumne "Familienbande" glossieren Autoren den Familien-Alltag. Das gleichnamige Buch mit 60 Kolumnen ist für 9,90 Euro in den TV-Pressecentern erhältlich.