KOLUMNE

In unserem Besenschrank wohnt ein Biest. Es hört auf den Namen Dau. Und es ist sehr gefährlich. Jedesmal, wenn ich die Tür öffne und den Dau herauslasse, springt Nicholas voller Panik aufs Sofa, ins Bett oder auf den Sessel.

Erst, wenn ich den Stecker wieder herausziehe, atmet er auf und fragt zweifelnd: "Mama, bist du fertig mit dauen?” Der Dau ist kein geringerer als unser Staubsauger. Ein harmloser Geselle. Nur für Nicholas nicht. Schon als Baby hatte er gehörigen Respekt vor der Höllenmaschine und schrie, was das Zeug hielt, sobald ich das Wort "Staubsauger” nur in den Mund nahm. Seitdem er laufen kann, gibt er jedesmal Fersengeld. Dass der "Dau” ihm nie etwas antun würde, dass er nur eine Maschine ist, dass er der Mama hilft, alles sauber zu machen - sämtliche Erklärungen sind gescheitert. Bei Besuchen in fremden Wohnungen erkundigt er sich nach einer Weile vorsichtig "Hast Du einen Dau? Wo ist denn der?”, um das Monstrum aus respektvoller Entfernung zu bewundern. An schlechten Tagen streifte mich bereits der Gedanke, die Angst vor dem Dau als Erziehungsmethode zu missbrauchen, wovon ich aber wegen unabsehbarer Folgen wieder abkam. Doch neulich zündete eine Idee. Ich werde Nicholas einen Zauberstab besorgen und erkläre ihm, wie man aus einem Dau etwas Lustiges oder Tolles zaubern kann, wenn man nur fest daran glaubt. Zugegeben, die Idee habe ich aus "Harry Potter und der Gefangene von Askaban” geklaut. Dort lernt Harry nämlich, einen Boggart oder Irrwicht zu verwandeln, der stets in Schränken lebt und die Gestalt dessen annimmt, was man am meisten fürchtet. Doch mit dem Zauberspruch "Ridiculus” wird aus jeder grauenvollen Gestalt ein lächerliches Etwas. Und wer weiß, mit ein wenig Glück zaubert Nicholas ja aus dem grässlichen Dau ein leckeres, süßes Riesen-Gummibärchen. Verona Kerl

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort