KOLUMNE

Mein Sohn hat eine Entdeckung gemacht und ist damit endgültig ins Lager der y-Chromosomen-Träger gewechselt. Er hat nämlich herausgefunden, dass Mädchen Angst vor Spinnen und anderen Krabbeltieren haben.

Die reinste Offenbarung für einen Vierjährigen. Denn was kann man mit so einem Wissen nicht alles anstellen! Beim Spielen mit den Nachbarsmädchen kam es an den Tag: Sie schickten ihn in den Keller, damit er ihnen die Fahrräder holte. Selbst waren sie dazu nicht in der Lage: Im Keller seien Spinnen, und vor denen hätten sie entsetzliche Angst. Nicholas, der sich nur vor Krokodilen, Monstern und Hexen fürchtet, lachte sich halb tot darüber. Doch in seinem Kopf reifte ein teuflischer Plan: der Bau einer "Mädchenfalle". Einziger Bestandteil: ein raffiniertes Lügengespinst, in dem sich Mädchen leicht verfangen, egal welchen Alters. Neulich auf dem Spielplatz turnte eine Siebenjährige auf einem Klettergerüst und verscheuchte Nicholas. Er sei noch zu klein und könne nicht so hoch hinaus wie sie. Der fand das gar nicht lustig und rief plötzlich: "Da oben ist eine Spinne." In Windeseile wieselte die Siebenjährige die Sprossen herunter, nicht ohne klar zu stellen: "Aber ich bin schon sieben", bevor sie sich trollte und dem Kleinen das Feld überließ, der hinterher rief: "Aber ich bin schon Vier." Auch im Kindergarten hat diese Methode Erfolg. Sobald der Ruf ertönt: ,Da sind Spinnen', stieben die Mädels auseinander und überlassen den Jungs das Feld. - Wobei der Abnutzungseffekt erheblich ist. - Auch bei Nicholas, denn er bastelt bereits an einer neuen "Mädchenfalle". In einem Spielzeuggeschäft, das "eigentlich" pädagogisch wertvolle Sachen verkauft, entdeckte er wiederum etwas, was sein Herz höher schlagen ließ. Käfer, Krebse und Ameisen aus Plastik, die, wenn sie 72 Stunden ins Wasser gelegt werden, auf das Sechsfache ihrer Ursprungsgröße anschwellen. "Sowas haben wir auch. Und es wird sehr imposant", betonte die Mutter eines vielleicht Dreijährigen, die bemerkte, wie ich mich wand, dieses Käfermonster ins Haus zu lassen. Tatsächlich schwamm abends eine braune, hässliche Ameise in unserer Salatschüssel herum. Nicholas schlief schon tief und fest, als sein Vater in der Küche nach etwas Essbarem suchte und erschrak: "Ätsch, Mädchenfalle", sagte ich nur. Verona Kerl In unserer Kolumne "Familienbande" glossieren wechselnde Autoren den familiären Alltag.

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