KOLUMNE

Nachts, wenn alles dunkel ist, kommt die Schnullerfee. Mehrmals kam sie schon zu uns geflogen, fand jedes Mal den offerierten Schnuller und legte stattdessen - wie es sich gehört - ein Geschenk dafür hin.

Eine tolle Sache. Nicholas hat so seine Armee von Playmobil-Piraten, Rittern, Wikingern und Barbaren um so manchen Krieger aufgestockt. Ohne Murren gab er Nono (so hat Nicholas seine Schnuller getauft) um Nono her, was mich sehr wunderte, denn das ist fast so, als würde die Queen von England freiwillig ihre Kronjuwelen herausrücken. Da er recht viele Nuckel besaß - denn sobald er einen verloren hatte, standen die Omas Gewehr bei Fuß und schafften doppelten Ersatz heran -, war sein Tauschgeschäft überaus erfolgreich. Besonders sein Vater jubilierte bereits, dass sich dieses Konglomerat an abgelutschten und klebrigen Saugern so schnell in Luft aufgelöst hatte. Denn die Schnullerfee war seine zuverlässige Komplizin. Bis Nicholas eines Tages beschloss, dass er jetzt genug Männer hatte. Irgendwas war mächtig schief gelaufen. Tauschte die Schnullerfee zu großzügig? Glaubte Nicholas am Ende nicht mehr an die Ammenmärchen seiner Eltern? Fakt ist: Ein Schnuller ist noch übrig und die Schnullerfee chancenlos, dieses letzte Kleinod aus der Babyzeit auch noch in ihr Feenreich mitzunehmen. Was werde ich beim nächsten Mal unserem Zahnarzt erzählen, was der Kinderärztin, die uns dringend ans Herz gelegt hatten, die Nonos verschwinden zu lassen? Die Schnullerfee kommt nicht mehr? Nicholas hat schon genug Ritter und Piraten? Blödsinn, genau. Die Wahrheit? Dass mein vierjähriger Sohn, der lieber heute als morgen in die Schule gehen würde, nachts einen Seelentröster braucht, damit er sich im Dunkeln geborgen fühlt? Die würde wahrscheinlich nur als faule Ausrede inkonsequenter Eltern gewertet werden. Ein paar Mal haben wir so getan, als sei der Schnuller verloren gegangen. Die Reaktion auf diese gut gemeinte Unwahrheit möchte ich an dieser Stelle allerdings nicht beschreiben. Summa summarum fürchte ich, wir müssen uns etwas Neues einfallen lassen. Ich denke, ich werde die Meerfee erfinden, und wenn wir im Urlaub sind, wird sie sich den Nono heimlich schnappen, um ihn - sagen wir mal - ihren Kindern zu schenken. Als Dankeschön hinterlässt sie einen Piratensäbel, den sie vor vielen Jahren einem alten Seeräuber gemopst hat. Und wenn das nicht funktioniert. . . Verona Kerl In unserer Kolumne "Familienbande" glossieren wechselnde Autoren den familiären Alltag.

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