KOLUMNE

Es geschehen noch Zeichen und Wunder - dachte ich mir, als unser sonst so technikbegeisterter elfjähriger Sohn mit einer Häkelnadel "bewaffnet" in die Küche stürmte und lauthals verkündete: "Ich will häkeln!

Jetzt!" Klasse, denk ich - keine Fernsehsendung, die wir abschlagen müssen, keine Küchenmaschine, die ich vor Juniors Erfindungsreichtum retten muss - nein - einfach nur häkeln möchte er. Hoffentlich hat er nicht vergessen, dass man mit Wolle und nicht mit diversen Drähten häkelt! Wolle? Mmh, irgendwo hatte ich doch noch so was. Ich muss an dieser Stelle zugeben, dass häkeln nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen zählt. Wir finden keine Wolle. Macht nix, wir haben ja eine liebe Nachbarin, und die hat bestimmt Wolle. Ungefragt wird auch diese von Junior informiert, dass Häkeln allemal besser ist als Fernsehen "glupschen" (glupschen ist ein neu kreiertes Wort für fernsehen) oder sonst so ein Quatsch. Der Aufforderung "ich will jetzt häkeln" - und flexibel wie man(n)/frau ist, komme ich gerne nach. Und so steht heute eben kein Fünf-Gang-Menü auf der Karte, sondern ein Ruck-Zuck-Essen. Ich kann mich also voll und ganz der Wolle samt Sohnemann widmen. Also los geht's. "Du kannst das ja noch, häkeln!", frage ich ihn - die letzten Häkelübungen stammen noch aus Kindergartentagen. "Ja, die Luftmaschen waren ganz cool!" Nachdem Junior festgelegt hat, dass er seinem Bruder etwas Gutes tun möchte und dieser unbedingt einen neuen Schal braucht, starten wir mit den Luftmaschen. Eine lange Reihe ist vollbracht. Und nun die Stäbchen. "Was für Stäbchen?", fragt er. "Na die Stäbchen, damit deine Luftmaschen auch irgendwann wie ein Schal aussehen. Dein Bruder kann sich schließlich keine Luftmaschen um den Hals binden." "Mama! Ich meine - wenn man die Luftmaschen hier hoch - da rüber - und quer verbinden, dann geht's schneller und sieht total cool aus!" Lego-Technik lässt grüßen, denk ich mir, "vielleicht noch ein Birnchen oder eine Alarmanlage einbauen, in feinste Maschen gehüllt. Wäre doch mal was Neues, auch beim Öffnen diverser Türen oder Schränke gut einsetzbar, reißt die Familie ein wenig schriller aus den Träumen." Ich hole tief Luft und erkläre nochmals die Sache mit den Stäbchen. Vergebens. Mein Sohnganz geduldig: "Schau mal das dauert doch viel zu lange! Das geht viel cooler und schneller. Hör bitte genau zu, Mama: Ich erkläre Dir das noch einmal. Also, hier rüber, da hoch und quer." Ich gebe auf, und lasse mich überraschen, welch "Hier-hoch-da-rüber-Fantasie-Luftmaschen-Modell" Bruders Hals verzieren wird. Egal, was dabei raus kommt. Es lebe die Fantasie und alle mal besser als Fernsehen "glupschen". Martina Loser Das Buch "Familienbande" mit 60 Kolumnen aus dem Trierischen Volksfreund ist für 9,90 Euro in allen TV-Pressecentern erhältlich.

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