KOLUMNE

Angie oder Gerd, Ampel oder Jamaika, Große Koalition oder Neuwahlen - wer könnte sich in diesen politisch wilden Zeiten der Diskussion enthalten! Kein Wunder, dass auch der familiäre Abendbrot-Tisch keine politikfreie Zone mehr ist.

Aufmerksamst hatte unsere Große sämtliche Nach-Wahl-Schlagzeilen, Berichte und Kommentare gelesen. Kopfschütteln, undefinierbare Knurrlaute ließen uns vermuten, dass eine Zehnjährige mit dem Wahlergebnis und seinen unbestimmten Folgen überfordert sein müsse. Schließlich stehen sogar wir Erwachsenen vor mehr als einem Rätsel, wie es in dieser unserer Republik denn nun weitergehen wird. Fragen, ob denn Klärungsbedarf bestehe, verneinte Katharina erstaunlicherweise ziemlich lange. Nein, es sei alles klar. Sie verstehe ganz genau, was sie lese und was da gesagt werde. Na gut, eine "Nachhilfestunde Politik" wollen wir unserer Großen ja nun auch nicht aufdrängen. Doch siehe da, plötzlich, eines Abends, prasseln sie auf uns hernieder, die Fragen. Wie geht es weiter? Was heißt denn genau Jamaika-Koalition? Wie funktioniert eine Große Koalition? Wen findet ihr eigentlich besser als Kanzler? Was wäre, wenn ganz neu gewählt werden müsste? Tja, da sitzen wir nun, wir schlauen Eltern, schauen uns einen Moment lang ebenfalls fragend an und versuchen, verständlich, anschaulich und möglichst unkompliziert die Grundzüge unseres demokratischen Gemeinwesens zu erläutern. Klar, das dauert seine Zeit. Und in einem solchen Gespräch den Faden zu verlieren, wäre geradezu katastrophal. Also komplimentieren wir den kleinen Bruder ganz flugs aus der Küche, als er mit irgendeiner Frage zu seiner afrikanischen Musik in den Raum stürmt. Minuten später - wir haben gerade das Thema Nachwahlen in Dresden erreicht - taucht Junior wieder auf. Die Frage scheint brennender geworden zu sein. Und doch müssen wir ihn vertrösten. Keine Unterbrechung jetzt! Fünf Zusatzfragen und neun Bundestagsabgeordnete später setzt sich Johannes ganz still und einfach so zu uns an den Tisch, schaut versonnen von einem zum anderen. Wir Eltern sind vom ganzen Erklären ziemlich ermattet. Katharina muss erst mal verarbeiten, was sie eben erfahren hat. Mitten in das so entstandene Schweigen trifft uns die verblüffende politische Botschaft unseres Sechsjährigen: "Ich glaube, die Merkel wäre nicht so gut als Kanzlerin." Pause - Blick in die Runde - Spannung bei uns "Großen" und dann endlich die erlösende Erklärung: "Die kann nämlich längst nicht so toll singen wie meine Afrikaner auf der CD!" Christine Cüppers In unserer Kolumne "Familienbande" glossieren wechselnde Autoren den familiären Alltag.

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