Kopfmusiker mit Küchen-Faible

TRIER/WEILHEIM. Nur noch zwei Tage, dann steigt auf der Sommerbühne des Exhauses das große Datapop-Festival. Szene sprach im Vorfeld mit Martin Gretschmann alias Console, dem Headliner des Festivals, über Küchengeräte, Geographie-Kenntnisse und Inspirationsquellen.

Er sieht ein bisschen aus wie ein zerstreuter Professor mit seinen verwuschelten Haaren und der Hornbrille. Er, das ist Martin Gretschmann, Kopf des Indie-Elektronik-Projekts Console. Ob der wohl von seiner bayerischen Heimat aus den Weg nach Trier findet? "Klar weiß ich, wo Trier liegt. Östlich von Luxemburg." Nicht schlecht. Aber weiß Martin auch, welcher Fluss durch die älteste Stadt Deutschlands fließt? Nach kurzem Zögern gibt er zu: "Nö, das fällt mir jetzt nicht ein." Wenn der 29-Jährige am Samstag mit seinen Bandmitgliedern von Console zum Datapop.V.03-Festival nach Trier kommt, kann er mit seinem neu gewonnenen Wissen prahlen. Denn dass durch Trier die Mosel fließt, wird er vermutlich nicht so schnell vergessen. Von der Lampe zum Laptop

Martin Gretschmann ist in der deutschen Musikszene kein unbeschriebenes Blatt. Als Soundtüftler von The Notwist wurde er bekannt. Gretschmann hat aber auch schon Remixe für Depeche Mode oder Björk gemacht. Doch damit schien er nicht ganz ausgelastet zu sein und gründete sein eigenes Projekt: Console. Dass es Musiker gibt, die auf dem Computer Musik machen, erscheint manchen immer noch befremdlich, ist aber eigentlich ein alter Hut. Martin benutzt allerdings nicht nur seinen Laptop als Musikinstrument, sondern auch Einrichtungs- und Küchengeräte. Gibt es in Oberbayern keine stinknormalen Musikgeschäfte, wo sich Martin Gretschmann ein paar konventionelle Instrumente kaufen kann? "Natürlich gibt es das. Aber ich find' es lustig, alle musikalischen Lautquellen in meiner Musik einzusetzen." Das hört sich ein bisschen abgedreht an, daher demonstriert der kreative Weilheimer, was er meint: Durch die Telefonleitung nach Trier ist plötzlich ein heller, dumpfer Klang zu hören. "Merkst du, wie schön es sich anhört, wenn man zart gegen eine Lampe schlägt", sagt der Elektroniker und fügt hinzu: "mit dem Kopf". Ob das ein Witz war, lässt sich mangels Bildtelefon nur schwer überprüfen. Beim Komponieren seiner Stücke geht Gretschmann ganz unterschiedlich vor. "Manchmal setze ich mich direkt an meinen Laptop und tüftele an einem Stück herum. Oft kommt es aber vor, dass ich mir einfach ein Sample anhöre, und dann spiele ich herum, auch mal in der Küche, dann wird das Ganze kombiniert. Oft kommt dabei ziemlicher Müll raus, manchmal ergeben sich aber auch sehr lustige Kombinationen. Ab und zu kommt es vor, dass der Sample, mit dem alles anfing, wieder rausfliegt. Der hat dann nur als Inspiration gedient." Auf der Sommerbühne wird der Soundtüftler allerdings nicht allein stehen. "Console ist eine richtige Band mit richtigen Instrumenten und einer Sängerin." Auf den Riesen-Festivals, auf denen Gretschmann & Co. in den vergangenen Wochen gespielt haben (Hurricane, Southside, Roskilde), hatten sie immer nur eine dreiviertel Stunde, um ihre Stücke zu spielen. "Da war unser Programm recht rockig. Sollten wir in Trier etwas mehr Zeit haben, dann kommen noch ein paar ruhigere Stücke hinzu." Auf die anderen Elektroniker wie Turner, Schneider TM und Barbara Morgenstern, die ebenfalls beim Datapop-Festival auf der Sommerbühne spielen werden, freut sich Gretschmann. "Das ist richtig schön, dass wir die Leute von Zeit zu Zeit immer wieder treffen. Man kennt sich ja, und wir haben bestimmt viel Spaß zusammen in Trier." Wenn den Elektro-Musikern am Samstag um 23 Uhr der Stecker rausgezogen wird, hört der Spaß aber noch lange nicht auf. Danach geht es mit einer "After-Show-Party" in der Idealbank weiter. An den Turntables stehen der "Intro"-Chefredakteur und Onitor-Labelmacher Thomas Venker und Jean Michel, der Datapop-Besuchern bereits bekannt sein dürfte. Denn er hat auf der Sommerbühne musikalisch durchs Programm geführt. "Wenn wir nicht zu kaputt sind, kommen wir natürlich auch zu der Party", verspricht Martin Gretschmann.

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