Lachs und Dollerei

STADTKYLL. Fisch muss schwimmen? Ach was. Am besten schmeckt er, wenn er aus der Erde kommt. Eine kulinarische Geschichte aus der Nachbarschaft.

Der Tag vor Silvester: Es klingelt an der Tür, Josef von schräg gegenüber kommt herein, setzt sich an unseren Küchentisch und lässt sich ein Schnäpschen schütten. Prost, was gibt‘s?Josef druckst herum. Wir waren zwei Tage weg, da muss was passiert sein. Stimmt: "Wir haben euren Garten verschandelt", grummelt er. "Ja wie", sagen wir. "Wir haben da was verbuddelt " Oha. Katze gestorben? "Nääh", antwortet Josef. Pause. "N‘ Fisch."Der Fisch, wie wir erfahren, ist ein Lachs, und er liegt seit gestern einen halben Meter tief in der Erde. Eigentlich sind es zwei Lachse, filetiert, gepökelt, gewürzt und aufgeteilt in vier Portionen, drumherum eine Lage Butterbrotpapier und noch mehr Lagen Volksfreund .Zwei Schritt runter und dann links

Wieso tut man denn einen Fisch in den Garten? Und vor allem: wieso in unseren Garten? "Naja", erklärt Josef, "wir saßen bei Toni in der Schreinerei, und dann hatte Klaus die Idee mit dem Lachs. Und der muss eben verbuddelt werden." Und da hätten er und Kumpel Klaus kurzerhand den Fisch bei uns versenkt, weil wir ja erstens den Garten hätten und zweitens sowieso damit einverstanden gewesen wären, wenn man uns nur hätte fragen können. "Sind wir", sagen wir. "Aber nur, wenn wir was mitkriegen!"Kein Problem. Die Exhumierung des Edelfischs wird für vier Tage später angesetzt. Mit dabei: Klaus, Dorfschmied Manfred und mein Brüderchen. Nur Josef fehlt, weil er die Verwandtschaft besuchen muss. Das erweist sich als Problem, weil er offenbar als Einziger den Lachs lokalisieren kann (beim Eingraben muss Alkohol im Spiel gewesen sein). Zudem ist der Garten mittlerweile zugeschneit. Ein Anruf auf Josefs Handy bringt annähernd Klarheit: "Zwei Schritt runter und dann links", lauten die Koordinaten.Wir latschen in den Garten. Zwei Schritt runter, dann links. Den Spaten angesetzt, gegraben: Nichts. Zweiter Versuch: Kein Fisch. Der Lachs muss, seiner Natur folgend, gewandert sein. Wir wühlen weiter - und endlich: "Da iss watt!" Wir haben ihn. Der Garten sieht allerdings jetzt aus, als hätten wir keinen Lachs, sondern Killerwal "Willy" daraus befreit.Der beste Fisch aller Zeiten

"So was hast du noch nicht gegessen", sagt Klaus, während er den Fisch fachmännisch von einer dicken Schicht Rettich befreit. Der Mann muss es wissen. So viel von der Welt wie er hat keiner von uns gesehen. Klaus ist Seemann, Maschinist, mit Patent für die große Fahrt, und war viele Jahre auf allen Pötten und Meeren zu Hause. Heute beschippert er den Rhein - "für die Großindustrie". Auf seinen Fahrten ist Klaus zu einem Weisen geworden, der aus dem Stand niederschmetternd scharfsinnige Sentenzen abfeuern kann. "Ich komm‘ mit meiner Dummheit weiter als du mit deiner Intelligenz", hat er einmal zu mir gesagt. Und Recht behalten."Was ich hier nicht gelernt hab‘, habe ich an Bord gelernt", sagt Klaus. Zum Beispiel "Gravlaks" - so heißt das Rezept für den Garten-Fisch. Und der muss eben gut eine Woche in der Erde ruhen, um seinen feinen Geschmack zu entwickeln. "Und dann hält der sich sechs Wochen, ohne dass du den flotten Heinrich kriegst, hähä.""Als ich den das erste Mal zu Haus gemacht habe, haben die mich alle für bekloppt gehalten", berichtet Klaus. Dafür gibt es keinen Grund: Das hier ist auf jeden Fall der leckerste Fisch, den wir jemals ausgegraben haben. Ehrenwort."Wenn ich nicht Geld genug hätte, würde ich hier ‘ne Lachsfarm aufmachen", sagt Klaus. Kein schlechter Gedanke, finden wir, und schnippeln uns noch ein Scheibchen.

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