"Mama, meine Hand tut weh!"

TRIER. Kinder und Rheuma – ist das wirklich ein Thema? Ja! Jessica (19), Tanja (8) und Daniel (17) leiden – wie mindestens 90 andere Kinder in Rheinland-Pfalz, rund 40 davon in der Region Trier – an der Krankheit, die meist nur bei älteren Menschen vermutet wird. Eltern und betroffene Kinder trafen sich zum Erfahrungsaustausch in Trier.

Tanja trägt Handschuhe. "Damit sie schreiben kann", sagt ihre Mutter Dagmar Pollesche. Die Achtjährige aus Danshausen bei Koblenz hat Rheuma. Als Säugling hat sie monatelang geschrieen. "Koliken", sagten die Ärzte. Im Kindergarten hat sie sich abgeschottet und körperliche Spiele vermieden. "Schüchtern und bewegungsfaul", sagten die Erzieherinnen. Im Sportunterricht fingen die Probleme erst richtig an. Tanja war schwach und konnte nicht springen und laufen wie ihre Mitschüler. "Sie hat keine Lust", vermutete die Lehrerin. Nach einer Ärzteodyssee dann die Diagnose: "Rheuma". Die Lehrer glaubten nicht, was Dagmar Pollesche erfahren hatte. Das könne nicht sein, das hätten nur ältere Leute.Ignoranz und Unwissenheit

"So denken viele Menschen", sagt Siegfried Schneider, Vorsitzender des Arbeits- und Informationskreises "Eltern rheumakranker Kinder". Mindestens 90 Kinder leiden in Rheinland-Pfalz an Rheuma. Schneider schätzt, dass es dreimal so viele sind. In der Region sind etwa 40 Jungen und Mädchen betroffen, die regelmäßig in der Villa Kunterbunt betreut werden, der Nachsorgeeinrichtung des Mutterhauses der Borromäerinnen in Trier. Das Problem: "Viele Ärzte denken nicht an Rheuma", sagt der Vater von Jessica (19). Die Diagnose ist schwierig. "Bei Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung im Kindesalter, müssen alle Aspekte wie ein Puzzlespiel zusammengefügt werden", sagt der Vorsitzende. So war es auch bei seiner Tochter. "Ich hatte ein rotes geschwollenes Knie, das schmerzte. Keine verordnete Salbe half", erinnert sich Jessica an den Beginn der Krankheit, vor acht Jahren. Heute schluckt sie täglich zehn Pillen. Angst hat sie, dass die Medikamente den Körper schädigten, der im Wachstum war. Die Schwierigkeit: "Es gibt kaum speziell auf Kinder zugeschnittene Therapien." Im Gymnasium musste sich Jessica durchbeißen. "Vor Arbeiten, wenn vor allem die Hüften stark schmerzten, habe ich dann mehr Tabletten genommen. Auch während der Arbeit", erzählt Jessica. "Danach war ich fix und fertig." Mit Laptop und verständnisvollen Lehren, die ihr mehr Zeit einräumten, "weil das Schreiben manchmal langsamer geht", hat sie die Herausforderungen bewältigt. Tanja hat weniger Glück in ihrer Schule. "Verständnis gibt es weder von Klassenkameraden noch Lehrern", bedauert ihre Mutter. Von Klassenfahrten wird Tanja ausgeschlossen. Paul Zimmer, stellvertretender Vorsitzender des Elternkreises und Vater von Daniel (17) aus Waldrach, berichtet von anderen Erfahrungen. "Die Lehrer haben Rücksicht genommen, die Mitschüler haben die Tasche getragen, wenn es Daniel schlecht ging." Das ist das Tückische an der Krankheit: "Die Schübe kommen von einem Moment auf den anderen." Verständnis statt Mitleid

"Vielleicht klappt alles", hoffte auch Jessica, als sie zu einem Frankreichaustausch aufbrach. Mit im Gepäck: ein Rollstuhl. "Er gibt mir Sicherheit." Nach zwei Tagen passierte, was die Schülerin am meisten fürchtete: geschwollene Gelenke, Schmerzen, ein Rheumaschub. "Ich wollte unbedingt Paris sehen. Ich habe Medikamente genommen und mich zusammen gerissen." Die Lehrerin war überfordert. Jessica musste die Koffer packen und frühzeitig abreisen. Jessica war tieftraurig. Sie fühlt sich abgeschoben. Auch dann, wenn Gleichaltrige sagen "geht die auch mit?" Jessica, Daniel und Tanja verlangen nicht viel, sie wollen kein Mitleid, nur Verständnis, wenn sie eine Auszeit brauchen, bis der Schub vorbei ist. Das Abitur hat Jessica mit Bravour und viel Willenskraft abgeschlossen. Sie plant ein Medizinstudium, "um Menschen zu helfen".

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