Projekt Pachtwork-Großfamilie

ZEMMER. Noch vor etwa hundert Jahren war es üblich, viele Kinder zu haben. Dann folgte der Trend zur Kleinfamilie. Heute, im Zeitalter der Ehescheidungen, formieren sich neue Großfamilien. Dann nämlich, wenn sich zwei Alleinerziehende mit Kindern zusammenschließen.

Dorothee Schlaak aus Oldenburg und Martin Meier-Schneiders aus Zemmer sind vor knapp zwei Jahren das Wagnis eingegangen, mit ihren fünf Kindern eine "Patchworkfamilie" zu gründen. So werden solche "zusammengewürfelten" Familien auch genannt. Beide haben nach gescheiterten Ehen das starke Bedürfnis, ihre Kinder wieder in der Geborgenheit einer kompletten Familie aufwachsen zu lassen. "Wir haben das große Ziel, unsere Kinder zu sozial kompetenten Menschen zu erziehen", erklärt Meier-Schneiders. "Illusionen hatten wir nicht. Wir waren zwei Familien, und uns war klar, dass wir Herkulesarbeit leisten müssen", meint seine Partnerin. Der Familienrat entscheidet

Aber nicht nur die Familienzusammenführung muss bewältigt werden. Auch die Organisation des Alltags mit vier Jungen und einem Mädchen im Alter von fünf bis zwölf Jahren ist eine Herausforderung. "Da hilft nur Struktur", sagt Dorothee Schlaak. "Wir teilen uns weitgehend Erziehungs-, Haus- und Gartenarbeit. Auch die Kinder haben ihre täglichen Pflichten, wie zum Beispiel Putzdienst." Konsequenz ist ein weiterer wichtiger Punkt im gemeinsamen Leben. "Unsere Wertvorstellungen haben wir genau abgesprochen. Über Dinge wie Taschengeld, Aufräumen oder Schlafenszeit wird nicht diskutiert", erläutert Meier-Schneiders. Andere Entscheidungen werden im Familienrat getroffen. "Wir haben darüber abgestimmt, ob wir in die Zeitung wollen", erzählt der zwölfjährige Caspar. Obwohl die Kinder sich sofort sehr gut verstanden, sah er anfangs auch Nachteile in der plötzlich gewachsenen Geschwisterzahl. "Die Kleinen können nerven, und ich bekomme zu wenig Taschengeld." Überhaupt das Geld... " Kostenmanagement und exakte Budgetplanung sind unerlässlich", sagt der Familienvater. "Zwei kostspielige Hobbys für den Ältesten sind eben nicht drin." Glücklicherweise gibt es im Wohnort genügend preiswerte Freizeitmöglichkeiten, so dass jedes Kind seinem Talent gemäß gefördert werden kann. In Zemmer genießt die Familie große Sympathie und Unterstützung. "Das Entgegenkommen der Nachbarn ist uns gewiss, selbst wenn deren Garten mal malträtiert wird", sagt Meier-Schneiders schmunzelnd. Auch Lehrer und Erzieher zeigen Wohlwollen, denn die Kinder üben bereits zu Hause Sozialverhalten, das manch andere erst in der Schule lernen können. Sehr oft kommt Besuch. Dazu Dorothee Schlaak: "Viele Kinder sind nun mal ein Anziehungspunkt. Aber je mehr Kinder im Haus sind, desto ruhiger ist es." Besonders Mariana (6) freut sich, wenn sie weibliche Verstärkung bekommt. "Die Jungs ärgern mich manchmal." Ausgleich finden die Eltern dank guter Organisation regelmäßig. Schwerpunkt ist dabei das Musizieren. Einig sind sich alle, viel hinzugewonnen zu haben. "Ich finde toll, dass immer jemand zum Spielen da ist", sagt Till (8). Henri (7) und Joscha (5) nicken. "Wir sind froh, dass wir's einfach angepackt haben", bilanzieren die Eltern. "Es macht Spaß, so viele Talente und Charaktere wachsen zu sehen."

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