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9Zum Ausgleich gab es kurzweilige Bilderstrecken, die gut gelaunte Ausflügler beim Strandbad oder Segeltörn zeigten. Und so wie die Menschen auf den Fotos ihre Anzüge und Kleider abstreiften, um ein wenig herumzutollen, sich Bälle zuzuwerfen oder mit Wasser zu bespritzen, streiften die Playboy-Redakteure ihre Intellektualität ab, um endlich einmal grundlegende Lebensweisheiten loszuwerden: "Es gibt nur eine Alternative zu einem schönen Mädchen: ein schweres Motorrad."Die Redakteure werden sich bei solchen Sätzen sicher nichts Böses gedacht haben und auch nichts Doppelbödig-Hintersinniges- Ironie wurde erst zehn Jahre später erfunden.

Wahrscheinlich dachten sie sich gar nichts dabei. Sie waren einfach der Ansicht, dass zu einer schönen Welt auch schöne Mädchen gehörten. Und dass für den Fall, dass schöne Mädchen gerade nicht verfügbar waren, ein schweres Motorrad nicht die schlechteste Alternative wäre."Schön" gebrauchte man damals im Sinn des Merz-Spezial-Dragees-Slogans "Natürliche Schönheit kommt von innen". Die Playmates waren deshalb ganz normale Mädels wie Linda, die im Reformkostladen ihres Stiefvaters arbeitete und die "mit roher Leber und Hefeextrakten" so hübsch geworden war. Die Fotos zeigten Linda dann, wie sie Hefeextrakt-Ampullen ins Regal einsortiert und wie sie mit ihrer Mutter Roggenbrot backt, selbstverständlich angezogen. Dann gab es noch Debby, die in der Verkaufsabteilung einer Motorbootfabrik angestellt war. Und Deanna, die unbedingt Lehrerin werden wollte. Es waren Mädchen zum Verlieben.Heutige Playmates sind anders. Es ist ihr Blick, der sie verrät. Es ist kein schöner Blick. Er macht klar: "Ich will um nichts in der Welt in einem Reformkostladen arbeiten, geschweige denn Lehrerin werden, und deshalb habe ich mir die Brüste vergrößern lassen und ziehe mich für den Playboy aus. Und wenn ich Glück habe, werde ich für Baywatch entdeckt und so reich und berühmt wie Pamela Anderson." All das kann man in diesem Blick lesen. Er sagt nicht, "ich fühle mich sinnlich und begehrenswert", sondern, "ich will, dass mich ein Produzent so begehrenswert findet, dass sich die ganze Chose, die ich hier mitmache, für mich rechnet."Vielleicht haben Linda, Debby und Deanna ähnlich gedacht, doch ich sehe es ihnen nicht an. Die Illusion funktioniert noch. Ich stelle mir dann vor, wie ich Linda, nachdem sich der Playboy-Rummel gelegt hat, im Reformkostladen besuche- sie sortiert gerade Hefeextrakt-Ampullen ein- und sie zu einem Kaffee einlade, selbstverständlich ökologisch angebaut. Hinterher gehen wir schmusen. Linda, so viel steht fest, ist der Mensch, "der einem sicheren Schutz vor den Platzregen des Lebens geben kann. Bei dem Worte überflüssig sind. Nur noch Berührungen zählen- Berührungen der Hände, der Lippen, der Körper. Um das ,Wir‘ zu finden."Solche Sätze standen damals im Playboy. Und sicher hat sie keiner als pathetisch oder peinlich empfunden. Im Gegenteil. Man hat sich darüber gefreut, dass nach den ganzen Bleiwüsten eine Fotooase auftauchte. Eine verträumte Bilderstrecke, die zeigte, wie sich zwei Menschen liebhaben. Einfach nur liebhaben.Ein unbekannter Texter hat dafür dann die passenden Worte gefunden: "Wir suchen nach etwas, das uns Grund gibt, einander zu berühren." Oder: "Lass uns sein wie die Blinden, die in der Liebe besser sehen können." Um solche Worte aufs Papier zu bringen, braucht man Zeit. So etwas schreibt sich nicht, zwischen einer Pressekonferenz und einem Recherchetermin, bei einem labbrigen Sandwich und aufgewärmtem Firmenkaffee, mal eben so runter. Hugh Hefner, der Playboy-Herausgeber, wird sich dessen bewusst gewesen sein und also hat er dem Redakteur die Fotos in die Hand gedrückt und ihm ein "Mach dir einen schönen Tag!" mit auf den Weg gegeben.Später saß der unbekannte Texter dann im Park. Vielleicht war er frisch verliebt. Vielleicht hat er sich gewünscht, frisch verliebt zu sein. Zum Beispiel in die Frau auf den Fotos. Sie sieht sehr glücklich aus, wie eine Frau, bei der es schön sein muss, verliebt zu sein. Auf jeden Fall wusste er, wie sich das anfühlt, das Frisch-verliebt-Sein. Und sein Unterbewusstsein hat ihm dann Sätze diktiert wie: "Wir sind die schönste Geschichte der Welt. Jetzt."Am nächsten Tag hat Hugh Hefner das Ganze dann gelesen. Fortsetzung folgt.Das Buch "Mein liebestoller Onkel, mein kleinkrimineller Vetter und der Rest der Bagage" ist in allen TV-Pressecentern für 19,90 Euro erhältlich.

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