Sie trennen jeden Tag die Spreu vom Weizen

Die sogenannten Blattmacher in der Volksfreund-Redaktion haben vielfältige Aufgaben und beeinflussen maßgeblich das Erscheinungsbild und die Qualität der Zeitung. Einer von ihnen ist Martin Pfeil. Seit knapp drei Jahrzehnten ist er beim TV.

 Vergangenheit und Zukunft: Ganz so gedrängt wie hier sieht es am Arbeitsplatz von Martin Pfeil gewöhnlich nicht aus: Die alte Triumph-Schreibmaschine hat ihm für den Fototermin sein Reporter-Kollege Friedhelm Knopp (wie Pfeil seit dem 1. Oktober 1982 beim TV) auf den Schreibtisch gestellt. Blattmacher-Kollege Elmar Kullick hat ihm ein echtes Messing-Typometer in die Hemdtasche gesteckt und aus dem Fundus früherer Zeiten eine alte Rechenscheibe ausgekramt. In den 1980er Jahren waren das auch Martin Pfeils Arbeitsutensilien. Heute erstellt der Blattmacher die Zeitung am Computer. TV-Foto: Klaus Kimmling

Vergangenheit und Zukunft: Ganz so gedrängt wie hier sieht es am Arbeitsplatz von Martin Pfeil gewöhnlich nicht aus: Die alte Triumph-Schreibmaschine hat ihm für den Fototermin sein Reporter-Kollege Friedhelm Knopp (wie Pfeil seit dem 1. Oktober 1982 beim TV) auf den Schreibtisch gestellt. Blattmacher-Kollege Elmar Kullick hat ihm ein echtes Messing-Typometer in die Hemdtasche gesteckt und aus dem Fundus früherer Zeiten eine alte Rechenscheibe ausgekramt. In den 1980er Jahren waren das auch Martin Pfeils Arbeitsutensilien. Heute erstellt der Blattmacher die Zeitung am Computer. TV-Foto: Klaus Kimmling

Vor gut sechs Jahren hat sich der Volksfreund eine neue, moderne Redaktionsstruktur verpasst. Ihr Kernstück: Die Redakteure produzieren die Tageszeitung in zwei „Pools“. In einem arbeiten die Reporter. Sie recherchieren, schreiben und fotografieren.

In dem anderen arbeiten die Blattmacher. Sie gewichten, redigieren (bearbeiten) und gestalten (layouten) die einzelnen Zeitungsseiten. Parallel dazu sorgen die Onliner von volksfreund.de dafür, dass die neuesten Nachrichten immer so schnell wie möglich im Internet zu finden sind. Das Ziel dabei: der TV als Qualitätsprodukt – eine regionale Tageszeitung mit Onlineangebot aus einem Guss. Einer der Blattmacher der gedruckten Zeitung ist Martin Pfeil. Seit knapp 30 Jahren wählt er aus dem täglichen Wust der Meldungen die wichtigsten Ereignisse aus, trennt die Spreu vom Weizen, kombiniert Informatives mit Hintergründigem und baut daraus die Zeitung, die dem TV-Leser beim Frühstück so wichtig ist wie Brot und Butter.

„Als Blattmacher haben wir uns auch schon vor 25 Jahren verstanden“, sagt Pfeil, der als Nachrichtenredakteur 15 Jahre in der Politikredaktion beim Volksfreund arbeitete – lange Zeit auch in führender Position.

Den Posten des kommissarischen Nachrichtenchefs tauschte der Eifeler danach für knapp sechs Jahre gegen die Position des Leiters der Eifelredaktion ein. Auch dort war es dem Team wichtig, ein überzeugendes Gesamtblatt zu machen – von den politischen Nachrichten bis zum lebendigen Lokalteil. Inzwischen ist Pfeil längst wieder an die Schaltstelle der Nachrichtenredaktion im Trierer Verlagshaus zurückgekehrt.

Dort funktioniert das Blattmachen inzwischen in völlig neuen Strukturen und mit erheblich besseren technischen Möglichkeiten. Mit anderen Worten: Pfeils Arbeitsfeld hat sich in den vergangenen Jahrzehnten völlig gewandelt: Lag früher sein Schwerpunkt in der Bewertung der (politischen) Nachrichtenlage und Gewichtung der Ereignisse und journalistischen Umsetzung, ist der Blattmacher heute mehr gefordert: Er ist Redakteur und Metteur, Gestalter und Fotoredakteur. Der Blattmacher steht für die Zeitung aus einer Hand, das Blatt aus einem Guss.

„Stift und Schere, Pinsel und Leimtöpfchen, Typometer und Rechenscheibe waren 1982, als ich als Volontär beim TV anfing, die wichtigsten Utensilien für einen Redakteur“, sagt der 53-Jährige. Der Bauernsohn war nach seinem Abitur in Prüm und dem Studium in Trier (Diplom-Theologie) in die Nachrichtenredaktion des Volksfreunds eingetreten. „Viele junge Kollegen haben ihre Ausbildung vor allem in den Lokal- Redaktionen – dem Herzstück des TV – absolviert, ich habe von Anfang an die Welt der Nachrichten geliebt“, sagt Pfeil. Und wenn der erfahrene Redakteur von alten Zeiten erzählt, hört man fast das unablässige Rattern der Nachrichtenticker („So heftig, dass die Tische vibrierten“), das ständige Klingeln der Telefone und das monotone Surren der Bildfunkgeräte.

„Rund 600 Tickermeldungen liefen damals am Tag in der Redaktion ein“, erklärt Pfeil. Er und seine Kollegen sichteten das Material, wählten aus, redigierten die Texte und bastelten Überschriften, ließen die Fotos rastern, planten und zeichneten (spiegelten) die Zeitungsseiten auf Millimeterpapier.

„Die alten Hasen sahen sich die Agenturtexte an und wussten genau, wie groß eine Textvorlage später als Haupttext (Aufmacher) auf einer Seite werden würde – oder eben als Mehrspalter oder als Meldung“, sagt Martin Pfeil. Nach der Bearbeitung wurden die Agenturtexte – etwa die der Deutschen Presse-Agentur (dpa), der Katholischen Nachrichten- Agentur (KNA), des Sportinformationsdienstes (sid) oder des Evangelischen Pressedienstes (epd) – nämlich noch einmal von Erfassern abgetippt.

„Und weil in den Texten das Wichtige oft im Mittelteil oder am Ende vorkommt, musste man als Redakteur mit Schere und Leimtopf den richtigen Textfluss zusammenkleben“, erklärt der Nachrichten-Mann. „Dass Texte umgestellt und bearbeitet werden müssen, ist auch noch heute so“, sagt Martin Pfeil. Allerdings geht das im Computerzeitalter deutlich komfortabler: Mit einigen Klicks lässt sich aus einem Agentur-Ursprungs-Text rasch ein guter Zeitungsartikel bauen. Bis Mitte der 1990er Jahre wurden die Zeitungsseiten beim TV noch im sogenannten Klebe-Umbruch erstellt. „Der wichtigste Kollege für uns war der Metteur“, erzählt Martin Pfeil – jene Mitarbeiter also, die gerasterte Fotos und Artikel zu Zeitungsseiten zusammenklebten. „Dem Herrn Metteur ist nichts zu schwör“, zitiert Pfeil schmunzelnd einen Standard-Spruch aus den guten alten TV-Zeiten.

Damit alle Texte auf eine Seite passen, war es wichtig, dass die Redakteure die Textlängen richtig einplanten. „Die alten Hasen haben das Pi mal Daumen gemacht und fast immer richtig gelegen.“ Der junge Martin Pfeil aber wollte mit dem Typometer (einem Lineal, das verschiedene Schriftgrößen zeigt) seine Seiten auf den Punkt genau planen. Um dem Spott der Routiniers zu entgehen, spiegelte er seine ersten Seiten quasi heimlich – „sonst hätte die Frage im Raum gestanden: ,Hast du’s nicht drauf?“

Und heute?

Die moderne Technik ist ungleich präziser: Zeitungsseiten werden komplett auf dem Computerbildschirm erstellt, die Fotos werden per Mausklick ins Blatt gehoben, und wer ein Bild freistellen möchte – also den Text um die Konturen einer Figur laufen lässt – , bekommt das mit überschaubarem Aufwand hin. „Wir haben einmal Anfang der 90er Jahre bei einem Bischofsinterview einen besonderen Freisteller auf der Seite 3 gewagt. Damit waren ein Redakteur und ein technischer Mitarbeiter den ganzen Tag beschäftigt“, sagt Martin Pfeil.

Doch nicht nur das ist heute anders geworden. Die Zahl der Nachrichten, die täglich zu sichten ist, hat sich potenziert. Über tausend Meldungen verbreitet allein die dpa heute täglich. „Redakteur kommt von redigieren – und das bedeutet, dass wir Nachrichten auswählen und bearbeiten, dass wir den Wahrheitsgehalt prüfen“, sagt Martin Pfeil.

Das Leimtöpfchen hat längst ausgedient, der Hochleistungsrechner ist inzwischen an seine Stelle getreten. Doch früher und heute kämpft der Blattmacher vor allem gegen die Zeit: „Wenn es neun Stunden dauert, bis ein Bundespräsident gewählt ist, dann zählt bei der Produktion am Ende jede Minute, damit der Leser den TV pünktlich zum Frühstück auf dem Tisch hat – und ihn so unentbehrlich findet wie sein Brötchen mit der Lieblingsmarmelade.“ Heribert Waschbüsch

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