"Spießersport" auf Abwegen

Trier. Golfen gilt gerade bei jungen Menschen oft als versnobt und spießig: polierte Golfschuhe, kleinkarierte Hosen und kleine weiße Autos, die über den penibel gestutzten Rasen schnurren. Mein bisheriges Verständnis von Golf!



Doch Philipp, Natalie und Dominik vom Crossgolf-Verein "Iron 7" haben mich an einem Freitagnachmittag eines Besseren belehrt.

Statt auf gepflegtem Grün packen sie ihre Schläger einfach mitten im Trie rer Waldstadion aus und spielen auf jedem Belag, der ihnen unter den Schläger kommt. "Crossgolf ist die lustige und ungezwungene Variante von Golf. Sie wird frei im Gelände gespielt. Also überall, wo man Lust dazu hat und keine Menschen zu Schaden kommen können," so Philipp Legendre.

Also Gelände aussuchen und Ziel festlegen: "Wir spielen zur Treppe am Ende des Sportplatzes." Der Spieler, dessen Ball mit den wenigsten Schlägen ins Ziel trifft, hat die Runde gewonnen. Manchmal treffen sich die Crosser für ein paar kurze Runden. An anderen Tagen bringen sie mehrere Stunden mit dem Schläger in der Hand zu.

Dominik, Philipp und Natalie sind herkömmlichem Golf gegenüber weit weniger voreingenommen als ich. Wäre es nicht so teuer, könnten sie sich durchaus vorstellen, auch mal auf einem richtigen Golfplatz Bälle zu schlagen. Auf Dauer würde es wahrscheinlich aber doch langweilig werden, denn im freien Gelände gibt es mehr Möglichkeiten. "Es ist keine Herausforderung, da die Hindernisse immer dieselben sind. Außerdem brauch ich beim Crossgolf nur Bälle und einen Schläger, nicht noch extra Schuhe und so was," gibt Natalie zu bedenken.

Die Vielfalt der zu spielenden Bahnen ist beim Crossgolf riesig. Nicht nur die vielen verschiedenen Orte, wie zum Beispiel Weinberge, das Landesgartenschaugelände oder Parkhäuser, sondern auch die unterschiedlichen Ziele kreieren immer wieder neue Parcours. Als "Löcher" muss alles Mögliche herhalten. Die Gelände-Golfer spielen auf Bäume, Schilder, Strohballen, Treppen, Planschbecken, auf einfach alles.

Belebte Plätze werden aus Sicherheitsgründen nur mit Softbällen und meistens nachts bespielt. "Einmal haben wir nachts vor der Basilika gespielt. Das war einer der verrücktesten Orte," erzählt Philipp.

Crossgolf ist mittlerweile relativ verbreitet in Deutschland. Es gibt zwar nicht überall eingetragene Vereine, aber kleine Gruppen, die sich lose verabreden, gibt es fast in jeder Stadt. Dennoch gehören Menschen mit Golfschlägern in Bus und Bahn nicht zur alltäglichen Wahrnehmung. Dominik, Natalie und Philipp wurden schon oft erstaunt angeschaut. Manchmal haben sie das Gefühl, die Leute auf der Straße würden sie für verrückt halten, wenn sie mit ihren Golfschlägern unterwegs sind oder auf einem Feld Bälle durch die Gegend schlagen.

Für nächstes Jahr plant "Iron 7" ein Crossgolf-Turnier auf dem Igeler Plateau. Bis dahin wollen die Trierer Crossgolfer aber noch das ein oder andere Turnier außerhalb heimischer Gefilde spielen. Schon dieses Jahr haben die Golfer von "Iron 7" zum Beispiel bei der Schwarzwald Cross-Golftour im Mai richtig abgeräumt. Sie belegten die ersten drei Plätze.

Von den Profis unter den Amateuren angeleitet, ist sogar mir ein halbwegs geglückter Abschlag gelungen. Beim Spielen auf Torpfosten, Container, Treppen und Stromhäuschen habe ich Golf von einer neuen Seite kennengelernt und zum Teil mit meinen Vorurteilen aufgeräumt. Auch wenn ich immer die meisten Schläge bis zum ersehnten Ziel gebraucht habe, Spaß gemacht hat es allemal. Wer auch mal mit Philipp, Dominik, Natalie & Co "einlochen" möchte, kann über die Internetseite iron7.de Kontakt herstellen. bw/jöl

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