Spurensuche in der Hölle von Verdun

Verdun · Die "Hölle" von Verdun forderte 700 000 Menschenleben. Granattrichter prägen das Landschaftsbild um die Stadt im Nordosten Frankreichs, 170 Kilometer von Trier entfernt, bis in die Gegenwart. Der TV begleitet den Trie rer Hobbyhistoriker Kurt Knoepfel über das Schlachtfeld, wo sich vor knapp 100 Jahren Deutsche und Franzosen eine vernichtende Materialschlacht lieferten.

Verdun. 80 000 Artilleriegranaten durchpflügen innerhalb von neun Stunden ein Waldstück von einem Quadratkilometer Größe. Mit einem bis dahin beispiellosen Trommelfeuer der deutschen Artillerie auf den Wald von Caures beginnt am Morgen des 21. Februar 1916 um 8.12 Uhr die Schlacht um Verdun im Norden Frankreichs.

Wald von Caures: Als um den Bunker von Colonel Émile Driant, dem französischen Befehlshaber im Caureswald, die ersten Granaten einschlagen, weiß er, dass die Stunde des Opfers geschlagen hat.
Für die 1200 französischen Soldaten, die den Caureswald verteidigen und in den gegrabenen Laufgängen des Waldes liegen, beginnt eine aussichtslose Schlacht: Sie bilden die erste Verteidigungslinie vor den schweren Festungen um Verdun.
In Sichtweite, im gegenüberliegenden Wald von Flabas, lauern 9000 deutsche Soldaten in ihren Ausgangsstellungen - bereit zum Sturm auf den Caureswald. Als die deutsche Artillerie gegen 16 Uhr ihren Dauerbeschuss einstellt, sind bereits 40 Prozent der französischen Soldaten im Wald von Caures tot oder verwundet. Gegen 17 Uhr stürmen die ersten hessischen Regimenter aus ihren Gräben im gegenüberliegenden Wald los. Ihr Befehl: Die französischen Stellungen abtasten. Sie rechnen nur noch mit geringer Gegenwehr.
Doch trotz der deutschen Übermacht verteidigen die restlichen französischen Jäger ihre Linien bis zum Letzten.
Als sie auf unerwartet starke Gegenwehr treffen, graben sich die deutschen Angreifer vor den französischen Stellungen ein und befolgen damit die strikten Anweisungen und den Plan des Generalstabschefs Erich von Falkenhayn. In der Nacht bekommen die französischen Truppen Verstärkung. Am nächsten M orgen kann die deutsche Artillerie erneut in die frisch besetzten feindlichen Stellungen feuern und fügt den Franzosen damit abermals hohe Verluste zu.Taktik der Abnutzungsschlacht


Die Taktik der Abnutzungsschlacht, wobei der Gegner durch massiven Menschen- und Materialeinsatz strategisch ausgeblutet werden soll, zeigt ihre Wirkung: Am N achmittag des nächsten Tages gibt Befehlshaber Driant den Caureswald, von dem nur noch zerschossene Baumstümpfe zu sehen sind, auf. Auf dem Rückzug mit seinem letzten Rest von 120 Soldaten stirbt Driant, als er von einer Kugel an der Schläfe getroffen wird. Mit allen Ehren bestatten die Deutschen den französischen Colonel und leiten seiner Witwe über die Schweiz sämtliche Habseligkeiten zu.
Wie mehr als 1000 seiner Soldaten hat er mit dem Leben dafür bezahlt, den deutschen Vorstoß auf die Festungen vor Verdun um zwei Tage zu verzögern. Das beschaffte den Franzosen nach dem unerwarteten Angriff Zeit, ihre Bastionen mit Nachschub zu stärken.
Der Wald von Caures ist bis zum heutigen Tag ein Kraterfeld. Granattrichter prägen das gesamte Landschaftsbild rund um die Stadt Verdun im Nordosten Frankreichs, 170 Kilometer von Trier entfernt, bis in die Gegenwart.
Die deutschen und französischen Laufgräben lassen sich auch knapp 100 Jahre später noch zu Fuß erkunden. Zwar sind die Gräben keine vier Meter mehr tief, stehen nicht voll Matsch und Blut und es sirren auch keine Geschosse durch die Luft.
Dennoch finden Besucher entlang des ehemaligen Kriegsplatzes noch Spuren der Materialschlacht, die erahnen lassen, was die Soldaten schlicht die "Hölle" von Verdun nannten.Extra

Die Schlacht um Verdun begann im Februar und endete im Dezember 1916 ohne merkliche Veränderungen im Frontverlauf. Die "Hölle" von Verdun forderte 700 000 Menschenleben. Die Zahl der gefallenen Soldaten wird nie genau bestimmt werden können. Dazu kommen vier Millionen Verwundete. Das französische Heer gewann vor Verdun im Verlauf der Schlacht an Schlagkraft und brachte den deutschen Vormarsch zum Erliegen. Zudem zwang die Triple Entente, das Militärbündnis zwischen dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Russland, die deutschen Truppen an der Westfront zur Schlacht an der Somme (Nordfrankreich), um den Frontabschnitt bei Verdun zu entlasten. Das führte dazu, dass die Deutschen Truppen und schwere Geschütze von dort abziehen mussten. Damit war vor Verdun der Weg für eine großangelegte französische Offensive geebnet. Die Franzosen eroberten mehr und mehr Gebiet als auch Festungen zurück. Ein erneuter deutscher Gegenangriff erfolgte nicht, da sich der Erste Weltkrieg bis zu seinem Ende am 11. November 1918 auf andere Frontabschnitte konzentrierte. Von keinem Punkt des Schlachtfelds, den die deutschen Truppen im Verlauf des Kampfes erreicht hatten, war ihnen je ein Blick auf die Stadt Verdun an der Maas gegönnt gewesen. red Mehr zum Thema Erster Weltkrieg in unserem Dossier

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