Sterneköche der Region: Helmut Thieltges, Waldhotel Sonnora in Dreis

Dreis · Mit drei Michelin-Sternen, 19,5 von zwanzig möglichen Punkten bei Gault-Millau und den höchsten Auszeichnungen unter anderem von „Der Feinschmecker“ und vom Aral-Schlemmeratlas gilt Helmut Thieltges als einer der besten Köche Deutschlands – oder sogar als der beste Koch des Landes.

 Arbeitet lieber mit Kochtöpfen als in der Öffentlichkeit zu flanieren: Helmut Thieltges. Fotos: Christopher Arnoldi

Arbeitet lieber mit Kochtöpfen als in der Öffentlichkeit zu flanieren: Helmut Thieltges. Fotos: Christopher Arnoldi

„Wir verneigen uns in tiefer Ehrfurcht“, lautet das Fazit der Tester des einschlägigen „Kochmesser“-Internetportals nach einem Besuch im still gelegenen Restaurant in der Nähe von Wittlich. Dabei beweist der Künstler am Herd durchaus Bodenständigkeit.

Er gilt als zurückhaltend im Umgang mit Medien, denn in Kochshows oder als Autor erfolgreicher Rezeptsammlungen taucht er nicht auf. Vielleicht sorgt diese bewusste Konzentration auf den wesentlichen Kern seines Metiers dafür, dass er bisweilen als „der große Unbekannte“ tituliert wird. Wer eher leise auftritt, um den rankt sich die Fantasie.

Vielleicht liegt darin auch das Verwirrspiel begründet, mit dem eine große deutsche Tageszeitung das Waldhotel Sonnora als „Pilgerstätte für Feinschmecker aus aller Welt“ versehentlich in die Pfalz verlegte.

Auf Gäste aus anderen Ecken des Planeten mag das still und sehr malerisch gelegene Haus mitten im duftenden Wald tatsächlich märchenhaft wirken. Für die Menschen aus der südlichen Eifel dürfte Helmut Thieltges – bei allem Ruhm – sehr handfest zunächst einmal einer von ihnen sein, der es mit außergewöhnlichem Talent an die Spitze geschafft hat.

Seine Eltern Vinzenz und Anna Maria hatten zunächst eine Pension im Dorf, in der die Gäste gern und gut bekocht wurden, später erbauten sie das Waldhotel Sonnora als klassisches Refugium für naturliebende Urlauber und Wanderer. Noch heute sind sie im Hotel präsent. Sohn Helmut lernte seinen Beruf im Römischen Kaiser in Trier: „Ich kannte die Branche und dachte ‚warum eigentlich nicht?' Aber ich hätte zum damaligen Zeitpunkt ebenso gut etwas anderes Kreatives beginnen können und wäre darin sicher genauso bestrebt gewesen, nicht null-acht-fünfzehn, sondern etwas Besonderes zu leisten.“

Schon früh war seine Orientierung an den Besten seines Berufs klar. „Ich habe geschaut, wer auf diesem Niveau wie arbeitet, um mein eigenes Können zu perfektionieren.“ Schnell hat Helmut Thieltges dabei eine eigene und unverwechselbare Handschrift auf der Basis der klassischen Haute Cuisine entwickelt. „Den Erfolg bringen eigenständige Kreationen. Die ‚grande cuisine' modern und sehr persönlich zu interpretieren ist mit schonenden Garmethoden oder innovativen Techniken möglich. Nachahmen von erfolgreichen Stilen oder das Befolgen von modischen Trends macht keinen Sinn“, umschreibt er das, was seine Art des Kochens ausmacht. Es funktioniere aber nicht, sich bewusst hinzusetzen mit dem Ziel, nun kreativ zu sein. Vielmehr sei der Zufall an Inspirationen mitbeteiligt.
„Es liegen beispielsweise Zutaten nebeneinander, von denen ich ahne, sie werden perfekt harmonieren, obwohl ihre Kombination ungewöhnlich ist.“ Dabei definiert er sich als Purist, der stets auf die allerbesten Erzeugnisse setzt wie etwa einzeln geangelte Wildfische. „Wenn regionale Produkte wie Pilze oder Wild diesen Standards entsprechen, nehme ich sie. Ansonsten gibt für mich das Qualitätsniveau den Ausschlag.“

Auf Wünsche international versierter Kenner stellte er sich bereits in den weiteren Stationen nach der Ausbildung in Trier ein: unter anderem im Schlosshotel Pontresina bei St. Moritz und im Breidenbacher Hof in Düsseldorf.

1978 trat Helmut Thieltges mit seiner bereits ausgefeilten Philosophie in das elterliche Hotelrestaurant ein und leitete gemeinsam mit seiner Mutter die Küche. Als nur vier Jahre später der erste Michelin-Stern verliehen wurde, waren Überraschung und Freude groß: „Damals war das für einen deutschen Koch eine regelrechte Sensation. An der hat meine Familie wesentlichen Anteil.“

Weitere Köche wurden eingestellt, zudem übernahm Ehefrau Ulrike die Leitung des Services. Unbeirrt wandelte sich das einstige Ferienhotel in eine der besten Feinschmeckeradressen Deutschlands.

Thieltges schätzt das Wissen vieler seiner Gäste um die einzigartige Güte der Zutaten und Gerichte, die optisch perfekt, aber ohne übertriebene „Verpackungskunst“ gereicht werden. Ebenso gern hat er jedoch die Laien zu Gast, die allein aus der Lust am Genuss kommen und sich einfach von den Geschmacksnuancen auf der Zunge überzeugen lassen. „Das Wort Gourmet mag ich gar nicht. Ich wollte immer ‚nur' einen Betrieb der höchsten Qualität schaffen, der jedoch keine steife Art hat, sondern in dem sich die Menschen rundum wohl fühlen.“

Zu einer legeren Art von Lebensqualität passt durchaus die Einbindung in die Netzwerke „Les Grandes Tables du Monde“ und „L'Art de Vivre“, aber auch ein Vergleich, den der Küchenchef höchstpersönlich trifft:

„Jeder Abend ist, bevor des richtig los geht, so spannend wie die Stimmung vor einem wichtigen Fußballmatch: Geht es gut oder nicht? Für den Gast geht es immer gut, aber für uns im Team sind beispielsweise ausgefallene Wünsche von Menschen, die bestimmte Dinge nicht mögen oder allergisch sind, überraschende Herausforderungen. Die können auch Stress bereiten.“ Der allerdings werde auch dank des gemeinsamen Managements mit Sous-Chef Thomas Schanz nie zum Chaos, sondern schnell und konzentriert gehe es an die Lösung. Helmut Thieltges steht dabei voll mit am Herd und beschränkt sich nicht nur auf die Kontrolle. Zeit zum Abschalten vom Stress oder vom Alltag findet er an den Ruhetagen des Restaurants, sobald die Planungen und Einkäufe der Zutaten erledigt sind. „Dann beschäftige ich mich so wenig wie möglich mit dem Thema Kochen.“ Stattdessen bleibt etwas Zeit für eines seiner „kleinen Laster“: Sportwagen fahren, quer durch die Eifellandschaft.

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