Tiefer gelegte Autos und Nikotin-Politessen

TRIER/WITTLICH/BITBURG. Kippen in Kneipen sind in Irland seit Ende März tabu. Per Gesetz hat die irische Regierung den blauen Dunst aus der Öffentlichkeit verbannt und könnte damit Vorreiter für andere europäische Länder werden. "Schwachmatisch" kommentiert der eine, "sinnvoll" der andere Gastwirt das Verbot bei einer TV -Umfrage in heimischen Kneipen.

Die irische Regierung begibt sich mit ihrem Ende März ausgesprochenen Rauchverbot auf Gesundheitsmission und will damit gleichzeitig die Wirtschaft retten: Mehr als eine Milliarde Euro kosten den Staat die mit dem Rauchen verbundenen Krankheiten jährlich, heißt es zur Begründung. Der damit verbundene Arbeitsausfall führe zu Produktivitätseinbußen von 385 Millionen Euro. Irische Kneipen, Guinessbier, Musik und Rauchen - das Klischee, dass das zusammen gehört, ist weit verbreitet in Deutschland. "Das ist doch ein Stück Tradition in Irland", meint auch Jürgen Rass, Besitzer des Treibhaus in Wittlich. Das sieht Alan Gunning, Filialleiter des Irish Pub "O'Dwyers" in Trier ganz anders. Der aus Dublin stammende Gastwirt, der seit elf Jahren am Stockplatz Guiness ausschenkt, befürwortet das Rauchverbot. Auch er nennt gesundheitliche Gründe. "In Irland rauchen nur 30 Prozent der Bevölkerung. Ich kenne viele Raucher, die aufhören wollen, aber nicht aufhören können, weil sie in Kneipen, beim Biertrinken und von anderen wieder verleitet werden." Dass mit dem Rauchverbot ein Stück irische Kultur verloren geht, findet er nicht: "Die Iren sind gesellige Menschen, die sich in Kneipen treffen, unterhalten und amüsieren wollen. Zigaretten spielen dabei keine so große Rolle." Auch die Gefahr wirtschaftlicher Verluste der Kneipen sieht er nicht. "Als Gastwirt muss man den Leuten etwas bieten, sie unterhalten können, wenn man sich nur auf Zigaretten verlässt, forget it", sagt Gunning, der selbst Nichtraucher ist. Und wenn die Nichtraucher auch in Deutschland auf die Barrikaden gehen und Politiker im Rahmen eines nationalen Gesundheitsheitsprogramms Kippen in Kneipen verbieten würden, was würden der Exil-Ire dann sagen? "Wunderbar, es ist doch eklig, wenn Klamotten und Haare abends nach Rauch stinken", meint Gunning. "Schwachmatisch", schimpft hingegen sein Wittlicher Kollege Jürgen Rass. "Ich lass mir doch nicht in meine Arbeit reinreden. Das wär doch fast so, als würde man jemandem verbieten, sein Auto tiefer zu legen." Auch Gisela Haubrich, Kellnerin in der Klosterschänke in Wittlich, hält nichts von einem Rauchverbot. "Man kann es einfach nicht generell verbieten. Bei uns raucht fast jeder. Nichtraucher können ja dahin gehen, wo nicht geraucht wird." Aus der selben Ecke schießt Marc Schnerr, Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA): "Wir brauchen keine Nikotin-Politessen!" erklärt er und setzt stattdessen auf freiwillige Regelungen und gegenseitige Rücksichtnahme. Viele Gastwirte hätten ohnehin längst auf die steigende Zahl der Qualmgegner unter ihren Gästen reagiert. Nichtraucherzonen und gute Belüftungsanlagen sorgten dafür, dass es zwischen Rauchern und Nichtrauchern keine dicke Luft gebe. Lüftungssystem sorgt für frische Luft

Dies bestätigt Eric Daunheim vom "Lousiana" in der Trierer Altstadt: "Unser Lüftungssystem tauscht in fünf Stunden die komplette Luft aus - da gibt es keine Probleme zwischen Rauchern und Nichtrauchern." In der "kleinen Kneipe an der Ecke" dagegen seien solche aufwändigen Belüftungsanlagen oder separate Raucherzonen kaum möglich, warnt Marc Schnerr. Würden dort die Raucher per Gesetz auf die Straße verbannt, wäre das der "Dolchstoß" für viele Betriebe - und damit für tausende von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Steigende Arbeitslosenzahlen sind derzeit ein schlagkräftiges Argument. Fakt ist aber, dass das Rauchen auch in Deutschland immense gesundheitliche und wirtschaftliche Schäden zur Folge hat: Mehr als 100 000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an den Folgen des Tabakkonsums. Laut einer Studie der Uni-Klinik Hamburg belaufen sich die Kosten für durch Rauchen bedingte Krankheiten und den Produktivitätsausfall auf 17 Milliarden Euro jährlich. Oder anders ausgedrückt: Rauchen kostet jeden Bundesbürger (auch Nichtraucher) 200 Euro pro Jahr.

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