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Hey, er sagt "Sie" zu mir. Das mach ich auch. Das ist ein fast vergessener Brauch. In meinen Kreisen sagt man "Du…ey Alter, hör mal zu". Annett Louisan hat ein neues Album herausgebracht - "teilzeithippie" - und es finden sich erneut wunderbare Sprachspiele und Begrifflichkeiten in ihren Texten.

Wie in den zwei vorangegangenen Alben.

13 Lieder hat das Album, vier weitere Stücke enthält die Bonus-Edition auf einer zusätzlichen CD. Die Sängerin philosophiert unter anderem über die Vorteile des Siezens ("Die Siezgelegenheit"): Sagt man: "Na, Sie sind mir ja einer!" wird die Distanz ein bisschen kleiner … Sagt man: "Na ja, ich bitte Sie", übt man Kritik voll Harmonie.

Voll Ironie singt sie über eine neue Liebe, über das Gefühl in der Phase des Verliebtseins, dass es nie wieder einen anderen Menschen im eigenen Herzen geben wird. Im Laufe der Zeit wechselt dann aber doch gelegentlich ein neuer Partner den alten ab. Die Hoffnung auf die ewige Liebe stirbt jedoch zuletzt. So singt Annett Louisan in "Die nächste Liebe meines Lebens": Es ist wieder für immer, die Welt ist unser Zimmer, wir werden uns auf ewig selbst genügen.

Schön sind auch die Gedanken über eine unverkrampfte - oder eben auch nicht unverkrampfte - Einstellung zum Leben in "teilzeithippie". So leicht ist es heute nämlich nicht mehr, die Seele einfach mal baumeln zu lassen. Kohle verdienen und Weiterkommen sind angesagt, aber wirklich eingestehen will sich diese Geradlinigkeit nicht jeder. Deshalb muss ein Mittelweg her: Sie laufen heiß die Rädchen im Getriebe, aber kein Problem, uns fällt schon was ein. Anarchie, spontane freie Liebe muss halt nur perfekt organisiert sein. Ein wunderbares Album.

Bianca Weber

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