Traumatische Erlebnisse in Verdun

Butzweiler · Verschüttet in Verdun. Alleine diese drei Worte lassen erschaudern. Erlebt hat das Johann Böffgen aus Butzweiler. Enkelin Marlene Heinz erzählt die Geschichte des Mannes, der überlebte, aber zeitlebens vom Ersten Weltkrieg gezeichnet war.

Traumatische Erlebnisse in Verdun
Foto: Sammlung Marlene Heinz

Wenn Marlene Heinz von Johann Böffgen spricht, schwingen Emotionen mit. "Mein Großvater war manchmal schwierig, aber ich habe ihn immer geliebt", sagt die 60-Jährige. Penibel geordnet und in schützende Folie verpackt, hat die Enkelin alte Dokumente und Fotos des 1977 im Alter von 84 Jahren verstorbenen Mannes aus Butz-weiler (Kreis Trier-Saarburg) aufbewahrt. Viele Aufnahmen aus den Jahren des Ersten Weltkriegs sind dabei. Sie zeigen einen ernst blickenden, schlanken Mann, mal alleine, mal mit anderen Soldaten am Waldesrand posierend, in Gardeuniform mit Pickelhelm oder kniend hinter einem Maschinengewehr. Eine auf den 25. März 1915 datierte Fotopostkarte trägt den Stempel "Reservelazarett Glauchau".
"Dort wurde mein Großvater behandelt, nachdem er bei Verdun verschüttet worden war", erklärt Marlene Heinz, die diese Fotos erstmals im Alter von neun Jahren sehen durfte. "Er hat von seinen Erlebnissen in Verdun und vom Krieg nicht viel erzählt, nur dass er deshalb den rechten Arm nicht mehr richtig bewegen kann."
Im Soldbuch des Mannes, der später jahrzehntelang bei der Freiwilligen Feuerwehr in Butzweiler aktiv, als "Böffis Hanni" bekannt war und sich auch in anderen Bereichen für das Gemeinwohl des Ortes engagierte, finden sich Angaben, die erahnen lassen, dass Johann Böffgen am 24. Februar 1915 nur sehr knapp dem Tod entkommen ist. 20 Prozent Erwerbsminderung wurden ihm 1919 vom Versorgungsamt nach der "Schädel-Hirn-Verletzung mit nervösen Beschwerden" zuerkannt. "Er konnte links nur eingeschränkt hören und auch nicht sehr gut sehen", erinnert sich Marlene Heinz.
"Mein Großvater wurde erst 1918 aus dem Militärdienst entlassen. Er musste also auch nach seiner schweren Verletzung noch mal einrücken", weiß die Enkelin mittlerweile.
Johann Böffgen heiratete im Oktober 1918 und hatte mit seiner Frau drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, die Mutter von Marlene Heinz. Die weiß, dass ihr geliebter Großvater nach dem Krieg kein einfacher Mann war. "Er konnte mit seinen Beeinträchtigungen nie wieder richtig arbeiten, war cholerisch und hat auch viel getrunken." Besonders schlimm sei das wohl geworden, nachdem der älteste Sohn von Johann Böffgen in der Weihnachtszeit 1942 in Stalingrad als vermisst gemeldet wurde. Ein Grab wurde nie gefunden. Die Großmutter von Marlene Heinz starb bereits früh, mit 60 Jahren.
Johann Böffgen, der Veteran des Ersten Weltkriegs, wurde bei der zweiten großen Katastrophe der Weltgeschichte nicht mehr als Soldat eingezogen. Er sei dafür "völlig unbrauchbar" gewesen, belegt ein Dokument. Die Chronik des Ortes ("Butzweiler und seine Geschichte"), zusammengetragen von Klaus Petry, dokumentiert allerdings, dass "Böffis Hanni" mit dem Krieg doch noch einmal in Berührung kam, als er im Februar 1945 als Mitglied des Volkssturms eine Panzersperre des Ortes befehligte. Weil dem letzten Aufgebot von Butzweiler die Zeit des Wartens auf den Feind langweilig wurde, leerten sie gemeinsam eine Flasche Schnaps. Und als dann noch immer kein Panzer in Sicht war, erklärte Johann Böffgen den Krieg kurzerhand für beendet. Er starb am 22. November 1977 im Alter von 84 Jahren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort