Verzicht auf Verzicht?

TRIER. Genießen ohne Ende, statt Verzicht – auch während der Fastenzeit. Von Aschermittwoch bis Karsamstag etwas freiwillig zu entbehren, ist unter jungen Leuten kaum ein Thema. Jugendpfarrer Patrik Altmeyer sprach mit dem TV über "Jugend und Fasten".

Miriam Schmitt (Name auf Wunsch geändert) erschrickt bei der Frage, ob sie fastet. "Ja, ich müsste fasten. Ich bin dick, ich weiß", kontert die 17-Jährige. Nein, es gehe nicht ums Abnehmen, sondern darum, auf etwas zu verzichten während der Fastenzeit, Nebensächlichkeiten wegzuräumen und den Blick auf das Wesentliche zu richten. "Achso, ich denke, ich faste nicht, weil heute kaum noch darüber gesprochen wird", sagt Miriam. "Es ist peinlich, übers Fasten zu reden"

Als Kommunionkind habe sie viel mehr mit der Kirche zu tun gehabt und sei damals auch häufig auf das Fasten angesprochen worden. Süßigkeiten habe sie gesammelt, obwohl sie es schrecklich fand, 40 Tage auf all die Bonbons, die sie bei Fastnachtsumzügen mühevoll erkämpft hatte, verzichten zu müssen. "Aber irgendwie hat es auch gut getan", sagt der Teenager rückblickend. Und sie sagt: "Jesus hat gefastet, weil er gegen etwas gestreikt hat." Miriam verzichtet darauf, ihren Namen in der Zeitung zu lesen. "Es ist peinlich, übers Fasten zu sprechen, vor allem weil ich ein paar Pfunde zu viel habe." Fasten im religiösen Sinne ist aus der Mode gekommen, jedenfalls bei Jugendlichen. Das sagt auch Patrik Altmeyer, Jugendpfarrer in der katholischen Jugendzentrale Trier. Denn "Fasten ist kaum noch Thema in Familien und Schulen. Die Ansprechpartner fehlen häufig", sagt der Priester. Hinzu käme, dass junge Leute Fasten mit Schlankheitskuren und Diäten gleichsetzten. "Doch es geht darum, sich auf das Wesentliche zu besinnen und letztendlich den Weg zu Gott zu finden", so der Geistliche. In dem religiösen Brauch, auf bestimmte Dinge während der Fastenzeit zu verzichten, verberge sich ein großer Erfahrungsschatz. Beim Fasten könne man interessante Entdeckungen machen. "Es geht nicht darum, Leute zu gängeln und schlechte Laune zu machen, sondern festgefahrene Muster zu überdenken." Beispielsweise schlägt er jungen Leuten vor, während der Fastenzeit auf Alkohol zu verzichten. "Feten sollen nicht verteufelt werden. Aber statt Bier lieber antialkoholische Cocktails auf einer Party zu servieren, kann dazu führen, dass das Zusammensein mit Gleichaltrigen ganz neu erlebt werden kann." Im zeitweisen Verzicht liegt laut Altmeyer ein großer Gewinn. Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen

Die Fastenzeit lade dazu ein, einiges neu zu überdenken, "die Kompassnadel neu auszurichten." Auf was verzichtet wird, kann ganz individuell entschieden werden. Mit der religiösen Praxis des Verzichts könnten junge Leute auf eine ganz neue Wellenlänge kommen. Und das könne durchaus sehr spannend sein. Besonders in einer Welt, "in der Jugendliche mit Reizen bombardiert werden, kann die Fastenzeit ganz wertvoll sein." Die vorösterliche Zeit biete die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen. "Wenn die Zeit der Besinnung fehlt, geht etwas Wertvolles verloren", sagt Altmeyer. Vereinzelt beobachtet der Jugendpfarrer, dass Jugendliche auftauchen, wenn zu einem Fastenessen meist Gemüsesuppe mit Brot verbunden mit Meditationen und einem Gottesdienst eingeladen wird oder wenn Solidaritätsmärsche zugunsten hungernder Menschen durchgeführt werden. Der Pastor selbst geht mit gutem Beispiel voran: An Aschermittwoch und Karfreitag isst er weder Fisch noch Fleisch, verzichtet auf Kaffee, Süßigkeiten und Alkohol. Auch während der gesamten vierzig Fastentage nach den tollen Tagen reduziert er die Genussmittel und macht immer wieder Neuentdeckungen.

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