Vier Stunden und ein Halleluja

KONZ. Endzeit-Stimmung in der Klasse 7d: Zum Schuljahres-Schluss heißt es Abschied nehmen. Entweder auf Zeit, bis zum Schulbeginn, oder auf Dauer, weil man das Klassenziel nicht erreicht hat.

 Von Zentnerlasten befreit auf dem Weg in die Ferien: Die Schüler der 7d haben's geschafft.Foto: Hans Krämer

Von Zentnerlasten befreit auf dem Weg in die Ferien: Die Schüler der 7d haben's geschafft.Foto: Hans Krämer

Nicht jedem schmeckt das gemeinsame Frühstück, das Lehrer Thomas Rendenbach zum Start in den letzten Schultag vorgeschlagen hat. Dabei kann sich das Angebot sehen lassen: Frische Brötchen, Wurst, Käse, Marmelade, nicht zu vergessen die heiß begehrte Nutella.Aber drei Stunden vor der Ausgabe der Jahreszeugnisse liegt manchem offenkundig das zu erwartende Ergebnis auf dem Magen. Fünf der 25 Schüler wissen schon, dass sie mit dem Resultat "nicht versetzt" zu Hause aufkreuzen werden - nicht alle haben es daheim angekündigt. Eine Schülerin bekommt die Chance zur Nachbesserung: Holt sie bei einer Nachprüfung in den Ferien mindestens eine Vier in Mathe, darf sie in der Klasse bleiben.Zusätzlich zum Zeugnis eine Verhaltensbewertung

Für alle anderen geht es um die Feinheiten, und das ist immer noch spannend genug. Zumal Thomas Rendenbach eine Neuerung ankündigt: Die Konzer Hauptschule stellt im Rahmen eines Versuchs neben dem Zeugnis auch ein "Beiblatt" aus, in dem detailliert in elf Einzelkategorien das Verhalten des Schülers bewertet wird.Aber es dauert eben noch bis zur Stunde der Wahrheit. An "normalen" Unterricht ist kaum zu denken, "die Luft ist total raus", sagt Rendenbach. Es wird nicht deutlich, ob er dabei mehr an sich denkt oder an die Schüler - wahrscheinlich an beides.So entschließt man sich, die zweite und dritte Stunde spielend zu überbrücken. Dame und Mau-Mau, Vier gewinnt oder Mikado: Es bleibt vergleichsweise ruhig, zum Erstaunen des Lehrers. "Video wäre weniger risikoreich gewesen", meint er und freut sich, dass sein Mut zum Wagnis diesmal belohnt wird.Mit Beginn der vierten Stunde führt dann kein Weg mehr am Moment der Erkenntnis vorbei. Einer nach dem anderen wird nach vorne gerufen, nimmt das Dokument schulischen Erfolgs oder Misserfolgs in Empfang. Sekunden später, allen Mahnungen zum Trotz, erste Jubelrufe. "Mensch, keine einzige Fünf!", tönt es. "Hey, eine Zwei in Physik!". Am Tisch der Klassenbesten packt Jens den Taschenrechner aus und verkündet überall die gerade berechnete Durchschnittsnote. "Ihr Streber", ruft einer der vielen Patricks, aber Miriam fährt ihm über den Mund: "Sei still, die haben doch nur gut gearbeitet."Auch die Sitzenbleiber lassen ihre Zeugnisse kreisen, ein trotziger Wettbewerb um die meisten Fünfen bricht aus. Aber mancher hat doch einen Kloß im Hals, und selbst die Lautesten wirken plötzlich recht still angesichts kritischer Anmerkungen, die sie auf ihrem Zeugnis finden.Vielleicht wird ihnen deutlich, was die Nicht-Versetzung bedeuten kann: Dass unsere Gesellschaft auch schon 13-Jährige aufs Abstellgleis schiebt, mit programmierter Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Früher bedeutete ein verpasster Hauptschulabschluss, dass man nur noch die weniger begehrten Lehrstellen zur Auswahl hatte. Und gab es keine Lehrstelle, ließ sich immer noch ein Job für Ungelernte finden. Heute ist der Zug endgültig abgefahren, bevor er aufs Gleis gestellt wurde.Die Kinder und Jugendlichen in der 7d spüren das. Und sie entziehen sich, wie viele andere Schüler, dem Druck mit Macht. Das lässt die Arbeit der Lehrer oft als Himmelfahrtskommando erscheinen. Wenn der Reporter aus der fast einjährigen Begleitung der Klasse 7d eines gelernt hat, dann die Revision mancher Vorurteile über den "gemütlichen Lehrer-Job"."Halleluja", sagt Thomas Rendenbach, als die letzte Stunde durch das Klingelzeichen beendet wird. Das Wort gehört nicht unbedingt zum Sprachgebrauch seiner Schüler. Aber empfinden werden sie wohl genau so.Vielen Dank an die 7 d, Thomas Rendenbach und die Hauptschule Konz für die gute Zusammenarbeit!

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