Wenn das Kind im Brunnen liegt

TRIER. Wenn Jugendliche und junge Heranwachsende mit dem Gesetz in Konflikt geraten, geht es weniger um Strafe als vielmehr um amtliche "Erziehungshilfe". Kein leichter Job für die Gerichtshilfe der Jugendämter.

Michael Herbst (Name geändert) ist inzwischen aus dem Jugendalter herausgewachsen. Aber als ihn Heinz Berger von der Jugendgerichtshilfe in Trier kennen lernte, war er noch ein Junge. Ein "schwerer Junge", wie man landläufig sagt. Sechs Mal stand er im Laufe der Jahre vor dem Jugendrichter, der Mann von der Gerichtshilfe immer dabei. Einbrüche, Diebstähle, Schlägereien - keine Schwerkriminalität, aber die Tendenz zum Abrutschen. Eine Lehre, ein Job, ein "Rückfall", Knast in Wittlich, zurzeit seit längerem auf soliden Füßen. Es ist ein jahrelanger Kampf um jeden Millimeter Boden, den Heinz Berger in Fällen wie dem von Michael Herbst führt. Da ist jeder kleine Fortschritt ein Grund zum Jubeln. Aber typisch für die Arbeit der Jugendgerichtshilfe sind solche Langzeit-Fälle nicht. "65 Prozent unserer Klienten sehen wir zum Glück einmal und nie wieder", erzählt die stellvertretende Jugendamts-Leiterin Dorothee Wassermann. Gut 700 Fälle sind beispielsweise im Jahr 2004 von der Staatsanwaltschaft beim städtischen Jugendamt gelandet, Jugendliche von 14 bis 17 und junge Erwachsene von 18 bis 21 Jahren halten sich dabei in etwa die Waage. Gegen manche laufen gleich mehrere Verfahren - unterm Strich sind es in der Stadt Trier knapp 500 junge Leute, um die sich die Gerichtshilfe laut gesetzlicher Vorschrift kümmert. Das sind fast 6 Prozent jedes Jahrgangs, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Kein Pappenstiel. Aber auch kein Grund zur Panik, meint Heinz Berger. Die Zahlen liefern keine Belege für das Vorurteil, es gäbe einen wachsenden Hang zur Kriminalität unter Jugendlichen. "Wir waren auch keine Kinder von Traurigkeit", relativiert Berger, aber vieles sei früher gar nicht erst in den Mühlen der Justiz gelandet. Zum Beispiel beim Ladendiebstahl, der einen Mammut-Anteil der Fälle ausmacht. Wenn das Amt zum Gespräch bittet, stehen oft fassungslose Eltern mit ihren Sprösslingen im Verwaltungsgebäude am Augustinerhof. Die Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe zeigen dann den Jugendlichen die Risiken einer kriminellen Laufbahn und die drohenden Sanktionen auf. Zum Beispiel in Gestalt einer Pyramide, die nach oben zu immer enger wird. In den meisten Fällen reicht das Zeigen der "Folterwerkzeuge". Aber nicht immer. Manche "Kunden" steuern so gradlinig auf die kriminelle Laufbahn zu, dass selbst der freundliche Heinz Berger sagt, da helfe "nur der Knast". Obwohl er weiß, dass der meistens auch nicht viel hilft. Vor allem bei Gewaltdelikten kann die Jugendgerichtshilfe auch ihre strenge Seite zeigen. Und das hat Gewicht in Strafverfahren. Die zuständigen Richter beziehen den Expertenrat oft in ihre Urteilsfindung ein. Und auch bei Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft den Weg abkürzt und selbst eine Auflage verhängt, wird das Amt eingeschaltet. Vieles läuft auf dem kleinen Dienstweg, schließlich kennt man sich, pflegt regelmäßigen Informationsaustausch und einen "jour fix". Die Kooperation laufe "wirklich gut", lobt Dorothee Wassermann, vor allem, seit die Stadtverwaltung die Jugendgerichtshilfe als eigene Abteilung mit festen Ansprechpartnern organisiert habe. Ein Weg, den zunehmend auch die Kreisverwaltungen einschlagen. Weil die Gerichtshilfe ihre Arbeit akribisch dokumentiert, liefert sie der jeweiligen Kommune auch ein genaues Bild über die Entwicklungen bei der Jugendkriminalität. Zum Beispiel, dass Mädchen unter den jungen Straffälligen in Trier gerade mal 15 Prozent ausmachen. Oder dass junge Menschen aus den Asylheimen in der Dasbach-Straße in den letzten Jahren zu weniger als 6 Prozent an Straftaten beteiligt waren. "Insgesamt ist Trier ein ruhiges Pflaster", sagt Sozialarbeiter Berger, der weiß, wie Kollegen in anderen Städten arbeiten. Dazu gehört auch, dass er trotz seiner schwierigen Klientel "durch Trier gehen kann, ohne Angst zu haben, dass mir was passiert".

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