Wenn die Hormone verrückt spielen

TRIER/WITTLICH. (ae) Welche Familie kennt das nicht? Etwa zeitgleich mit dem Wechsel auf die weiterführende Schule entwickeln Elfjährige Verhaltensweisen, die dann und in den Folgejahren für Zündstoff im täglichen Umgang sorgen.

Das bisher leicht lenkbare Kind wird plötzlich betont aufsässig und reizbar. Oft reagiert es mit heftiger Ablehnung auf die Vorgaben der Eltern. Daneben gibt es Phasen depressiver Verstimmung, Hilflosigkeit und Abkapselung. Diese Gefühlsschwankungen sind natürliche Folge der großen Umwälzungen, die sich im Körper des Heranwachsenden abspielen. In einem Zeitraum von durchschnittlich 4,5 Jahren entwickeln sich innere und äußere Geschlechtsmerkmale, und die Geschlechtsreife tritt ein, bei Mädchen 0,5 bis 1,5 Jahre früher als bei Jungen. Oft kreist die Fantasie der Jugendlichen um Sexualität, die zwar angestrebt, aber auch gefürchtet wird. In diesem Spannungsfeld werden häufig enge Freundschaften unter Gleichgeschlechtlichen entwickelt. Erwachsene werden dann akzeptiert, wenn sie die Jugendlichen als gleichberechtigte Partner behandeln, ihnen gleichzeitig aber Schutz und Hilfe gewähren. Besonders das Verhältnis zu den Eltern ist einer ständigen Prüfung unterworfen. Einerseits werden deren Normen auf dem Weg zu einer eigenen Orientierung in Frage gestellt, andererseits die Abhängigkeit von ihnen ohnmächtig erlebt. Kämpfe sind die Folge, die um so heftiger ausfallen, je enger die Bindung war.Cliquenbildung bereitet Eltern Sorgen

Zunehmende Konfliktbereitschaft entlädt sich nicht nur in Streit, sondern auch in Provokation. Um ihr "Anderssein" zu demonstrieren, werden Jugendliche oft rücksichtsloser, schmutziger oder unmoralischer. Häufig lassen die Leistungen in der Schule erkennbar nach. Eltern wird ein hohes Maß an Toleranz abverlangt. Nicht immer schaffen sie es jedoch, angemessen zu reagieren. Der Leiter der Lebensberatung des Bistums Trier, Wolfgang Drehmann, rät ihnen zu mehr Gelassenheit und Zuversicht. "Da die Eltern in der Regel noch sehr geliebt werden, richtet sich das verletzende Verhalten ihrer Kinder nicht persönlich gegen sie. Es ist vielmehr Ausdruck des Hungers nach Anerkennung als ebenbürtiger Partner Eltern sollten die Geheimnisse und die Intimsphäre der Jugendlichen respektieren. Auch sollten sie ein Stück weit schlechte Erfahrungen zulassen. Wichtig ist aber, dass anschließende Trauer zusammen bewältigt wird." Besonders die Cliquenbindung ihrer Kinder macht vielen Eltern Sorgen. Neben Leistungsknick und Auflehnung gegen Grenzen ist sie einer der häufigsten Gründe, warum eine Beratungsstelle aufgesucht wird. Dazu Wolfgang Drehmann: "Auf der Suche nach einer Ersatzidentität zum Elternhaus binden sich die Jugendlichen oft an bedenklich erscheinende Gruppen, um so stärker, je mehr die Eltern diese ablehnen." Schon länger beobachtet Drehmann eine Zunahme an Beratungsanfragen. "Orientierung und Identitätsfindung sind mangels klarer und einfacher Lebensentwürfe schwerer geworden. Viele Zielsetzungen sind, auch durch die in den Medien verbreiteten Menschenbilder, unrealistisch. Dazu kommt das Wegbrechen traditioneller Milieus wie Kirche und Familie." Wer angesichts immer komplexer werdender Konflikte Rat sucht, muss sich auf längere Wartezeiten einstellen. Anlaufstellen: Jugendamt des Landkreises Bernkastel-Wittlich, Telefon 06571/140 (Zentrale), Lebensberatung des Bistums Trier: Telefon 0651/75885; ; Kostenloses Sorgentelefon des Kinderschutzbundes für Kinder und Jugendliche: Telefon 0800/1110333.

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