Wenn die Nacht zum Tag wird

TRIER. Das altgermanische Wort "Schlaf" bedeutet "schlapp, schlaff". Vielen Menschen fällt es Nacht für Nacht schwer, einzuschlafen. Zwei Stunden lang beantworteten Dr. Joachim Vogt, Wolfgang Zingen, Dr. Hans-Günter Weeß und Manfred Göritz die Fragen der TV -Leser.

Ich leide seit Wochen unter Ein- und Durchschlafstörungen. Organisch bin ich aber gesund. Liegt keine organische Erkrankung vor, ist das Leiden - was übrigens meistens der Fall ist - auf psychosoziale und psychoreaktive Hintergründe zurückzuführen. Stress, Sorgen, Konflikte in Familie und Beruf werden mit ins Bett genommen und rauben den Schlaf. Schlafstörungen äußern sich nicht nur in stundenlangem Wachliegen und innerer Unruhe, sondern auch in zum Teil schwer gestörter Tagesbefindlichkeit. Oftmals liegt keine Schlaf-, sondern eine Abschaltproblematik zugrunde. Gesund ist es, mit einer "Nach-mir-die-Sintflut"-Einstellung ins Bett zu steigen. Das ist oft jedoch leichter gesagt als getan. Manchmal kann das Schlafproblem selbst zum Problem werden. Nämlich dann, wenn die unbewusst erlernte Kopplung, Bett ist gleich Schlaflosigkeit, die Müdigkeit vertreibt. Dieser verhängnisvolle Reflex kann, wenn nötig, mit Hilfe von Schlaftrainings abgestellt werden. Entspannungsbringende Rituale und eine Schlaf fördernde Ernährung und Zimmereinrichtung - ohne Dinge, die an Berufs- und Alltagsstress erinnern - können hilfreich sein, um in der Nacht wieder die wohlverdiente Ruhe zu finden. Gegebenenfalls können Schlafmittel nach Rücksprache mit dem Arzt - so kurz wie möglich und solange wie notwendig - erste Abhilfe schaffen. Meine Mutter ist 88 Jahre alt und braucht ganze vier Stunden Schlaf. Ist das normal? Einer Studie zufolge schläft der deutsche Bürger durchschnittlich sieben Stunden und 14 Minuten. Im Durchschnitt braucht er rund 15 Minuten zum Einschlafen. Das Genie Einstein brauchte elf Stunden Schlaf und hat es auch zu Ehren gebracht. Napoleon sagte man nach, dass er mit drei Stunden Schlaf auskam. Das drückt das gesamte Spektrum aus, welche Schlafmenge möglich ist. Das Entscheidende ist: ,Wie fühlen Sie sich am Tag.' Obwohl ich recht gut schlafe, fühle ich mich den ganzen Tag über wie gerädert. Manchmal nicke ich sogar ein. Haben sie eine Erklärung? Hier könnte es sich um eine Schlaf-Apnoe handeln. Bei diesem Syndrom geht es um schlafabhängige Atmungsstörungen mit häufigen Atemstillständen während der Nacht. Der Schlaf ist dadurch sehr zerstückelt, und durch die oft stark verringerten Tiefschlafphasen fühlen sich die Betroffenen am nächsten Tag schlapp. Bettpartner klagen über lautes, unregelmäßiges Schnarchen (nach Luft schnappen) oder stellen Atempausen fest. Die Diagnostik der Schlaf-Apnoe kann in einem Schlaflabor schnell erfolgen. Es gibt sehr gute Behandlungsmöglichkeiten. Meine Tochter ist drei Jahre alt und schläft seit Wochen fast keine Nacht durch. Wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen. Dass Kinder hin und wieder die Nacht zum Tag machen, kann entwicklungsbedingt oder je nach Tageserlebnissen mal vorkommen. Handelt es sich um längerfristige Ein- und Durchschlafstörungen, kann das Problem in der Regel über die Eltern behoben werden. Eltern müssen Kindern die Chance geben, dass sie selbstständig schlafen lernen. Dazu gehört viel Konsequenz. Häufig handelt es sich um Schwierigkeiten in der Erziehung. Hier gilt, wie bei allen Schlafstörungen, dass organische Ursachen im Vorfeld vom Arzt ausgeschlossen werden.

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