Wenn Eltern streiten

Streit gehört zum Leben. Umso wichtiger ist es daher, wie Eltern bestehende Konflikte lösen.

 Das Süßigkeitenregal an der Supermarktkasse bietet häufig Anlass zum Streit zwischen Eltern und Kindern. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Das Süßigkeitenregal an der Supermarktkasse bietet häufig Anlass zum Streit zwischen Eltern und Kindern. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Wenn das Kinderzimmer nicht aufgeräumt ist, der Abwasch sich stapelt, gähnende Leere sich im Kühlschrank ausbreitet, die ungebügelte Wäsche sich auf mehrere Körbe verteilt und das Baby schreit, dann ist ausreichend Nährboden da, damit zu Hause Zoff herrscht. Und der muss hin und wieder auch sein, sagt Wolfgang Drehmann, Leiter der Lebensberatung des Bistums Trier. "Familien, die keine Auseinandersetzungen haben, verpassen wichtige Entwicklungschancen", meint der Familientherapeut. Denn Menschen haben nun einmal unterschiedliche Wünsche. "Es kommt darauf an, Wege zu finden, wie das zusammengehen kann." In der Lebensberatung gibt es einen Grundsatz, sagt Drehmann: Die Gefühle wie Ärger, Wut und Trauer sind erlaubt. Die Frage ist nur, in welches Verhalten sie umgesetzt werden. Sie dürfen nicht in Schreien oder Schlagen eskalieren. "Wichtig ist es, sich zunächst zuzuhören", sagt Drehmann, "um herauszufinden, was will ich und was will der andere". Oberstes Ziel ist es, Lösungen zu finden.Klare Ansagen an das Kind

Streiten Eltern mit ihrem Kind, sollten sie auf Augenhöhe mit ihm gehen und klare Ansagen machen. Ein Fall, den alle Eltern kennen, ist die heikle Situation am Süßigkeitenregal an der Supermarktkasse. Hier ist es wichtig, dem Quengeln nicht nachzugeben und im Verhalten eindeutig zu bleiben, betont Drehmann. Auf die Frage "Wie viel Streit vertragen Kinder?" zögert er nicht mit seiner Antwort: "Möglichst wenig". Dennoch stecke darin auch eine Chance. "Man kann durch gutes Streiten auch etwas lernen", sagt er. Man lerne zu sagen, was man will, wie man gute Kompromisse macht, wie man Lösungen findet und mit Frustration umgeht. Hält sich das Kind allerdings die Ohren zu oder läuft weg, sollten Eltern ihren Streit unterbrechen. Wichtig sei es dann, dem Kind zu signalisieren, dass Mama und Papa zwar unterschiedlicher Meinung sind, aber eine Lösung finden werden und diese dem Kind auch mitteilen. Gerade in jungen Familien ist die Ursache für Konflikte häufig die neue Lebenssituation, in der sich die Paare erstmal in ihren neuen Rollen finden müssen, sagt Drehmann. "Die Eltern sind sich noch nicht klar über ihren Erziehungsstil, und unterschiedliche Ansichten lösen Spannungen aus." Generell bieten Entwicklungsschritte, zu denen sich Familien neu orientieren müssen, viel Zündstoff. Ein gängiges Thema bei Paarkonflikten sei die Frage, wie Elternarbeit und Erwerbsarbeit verteilt werden. Nicht selten führe es zu Spannungen, wenn Großeltern oder Freunde in Erziehungsfragen reinspiele nach dem Motto: Die machen das so, warum machen wir das nicht auch so? Häufige Streitpunkte sind auch der Medienkonsum und die Unordnung, berichtet Drehmann. Im Umgang mit Pubertierenden sei die typische Streitfrage, wie viel Autonomie die Eltern gewährten. Drehmann rät Eltern, in dieser für die Jugendlichen schwierigen Phase, in der sie sich von den Eltern distanzieren, immer wieder Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Spannungen in der Familie können außer in Streit auch in Rückzug, Trauer und Verstummen münden. Die Reaktionen der Kinder können die gleichen sein: Sie fallen womöglich in frühere Verhaltensweisen zurück und nässen beispielsweise wieder ein. Ein anderes Alarmsignal kann sein, dass Kinder Entwicklungsschritte nicht mitmachen. Vielleicht wollen sie nicht in den Kindergarten gehen. "Die Ursache könnte sein, dass sie Angst davor haben, was in ihrer Abwesenheit zu Hause geschieht. Sie sind unsicher gebunden und können daher nicht gut loslassen", erklärt Drehmann. Eine andere Auswirkung falsch vorgelebten Streitens kann sein, dass Kinder keine sinnvolle Konfliktbewältigung lernen. Sie reagieren bei Auseinandersetzungen gleich mit Aggression. Ältere Kinder leben ihre Gefühle womöglich im Alkohol aus oder flüchten in Computerspiele.

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