Wenn Kids mit Kilos kämpfen

TRIER. Immer mehr Kinder leiden an Übergewicht. Sinkendes Selbstwertgefühl und Ausgrenzung sind nur einige der Folgen. Fachleute beklagen, dass in Trier ein Mangel an kontinuierlichen Präventivangeboten und ambulanten Therapiemöglichkeiten herrscht.

Gut 25 bis 30 Prozent aller Schulkinder in Deutschland kämpfen mit zu vielen Pfunden. "Tendenz steigend", weiß Dr. Marlene Witek. Als zuständige Schulärztin am Gesundheitsamt Trier untersucht sie jedes Jahr die Einschulungskinder. Wie aber stellt man fest, dass das eigene Kind übergewichtig ist? "Durch Vergleiche mit anderen Kindern merkt man, ob der Schützling hinterher hinkt und schwerfällig ist", erklärt Dr. Uta Brenner, Trierer Kinderärztin. Eine von Beginn an ausgewogene Ernährung und viel Bewegung schützt die Kleinen vor unnötigen Pfunden. "Massig pflanzliche Lebensmittel, mäßig tierische Fette und ganz sparsam Fett und Zucker," schreibt Uta Brenner auf den Speiseplan.Ständig verlockt

Ist der kleine Liebling allerdings zu dick, nehmen viele Eltern das Problem nicht wahr. "Wünschenswert wäre, dass alle Kinder die zehn empfohlenen Vorsorge-Untersuchungen in Anspruch nehmen", ermahnt Witek. So können Tendenzen zum Übergewicht frühzeitig aufgedeckt und behandelt werden. "Wissenschaftlich ist noch wenig darüber bekannt, welche Gründe es fürs Dick-Sein gibt", so Dr. Reinhold Lässle, Professor für Klinische Ernährungspsychologie an der Universität Trier. Es wird vermutet, dass Dick-Sein zu 60 bis 70 Prozent auf erbliche Faktoren zurückgeht. Ein ungesundes Essverhalten ist ein weiterer Grund. Schokoriegel, Burger und Pommes bekommen Kinder und Jugendliche an jeder Ecke. Das Essen im Stehen, im Laufen und beim Fernsehen lässt Körpersignale wie das Sättigungsgefühl unbemerkt. In Kombination mit Bewegungsmangel ist die körperliche Entwicklung vorprogrammiert. "Dabei hat jedes Kind von Natur aus das Verlangen nach Bewegung. Das sollte man von Anfang an fördern", rät Witek. Mit dem Übergewicht gehen oft auch starke psychische Probleme einher. Viele Kinder machen die schmerzliche Erfahrung, ausgegrenzt und gehänselt zu werden. Ein Rückzug vor den Computer oder Fernseher, keine Bewegung, und immer mehr Essen sind oft die Folge. "Ein Teufelskreis, aus dem man schwer allein rauskommt", betont Dr. Witek. Aber auch Lehrer und Eltern fühlen sich hilflos. "Ich sehe das Problem, doch es ist schwierig an die Betroffenen heranzukommen", erklärt Studienrat Andreas Schäfer, Vertrauenslehrer am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium Trier.Radikal-Diät ist der falsche Weg

Was tun? "Erste Maßnahme sollte immer das Gespräch mit dem Kinder- oder Jugendarzt sein", rät Kinderärztin Uta Brenner. Eine krankhafte Störung, die das Übergewicht (Adipositas) verursachen könnte, sollte vor Therapiebeginn ausgeschlossen werden. Erstes Behandlungsziel ist meist, eine weitere Gewichtszunahme zu verhindern. Keine Radikal-Diät, sondern eine langfristige Ernährungs- und Verhaltensumstellung wird von Ärzten empfohlen. "Die individuelle Ernährungsberatung bei den Krankenkassen ist eine gängige Maßnahme", so Norbert Dixius, Regionalgeschäftsführer der Barmer Ersatzkasse Trier. Von Klinik- oder Kuraufenthalten rät Professor Lässle ab, da diese oft keinen Erfolg auf lange Sicht versprächen. Als erfolgreicher werden Therapien eingeschätzt, die lebensnah und langfristig angelegt sind. "Leider sieht es mit der ambulanten Betreuung in Trier schlecht aus", bedauert Lässle. "Wünschenswert wäre eine Ernährungsschulung der Kinder, in Zusammenarbeit von Schule und außenstehenden Institutionen, sowie auch die Drogenprävention regelmäßig stattfindet", fordert Vertrauenslehrer Schäfer.

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