Attraktive Kunst

Stephan Brakensiek über die Grafische Sammlung der Universität Trier Die Grafik ist nicht weniger attraktiv als andere Künste, davon ist Stephan Brakensiek überzeugt. Den Beweis führt er täglich. Seit gut eineinhalb Jahren ist der promovierte Kunsthistoriker Treuhänder von etwa 4000 Blatt Druckgrafik und 3000 Plakaten.

Die Grafik ist nicht weniger attraktiv als andere Künste, davon ist Stephan Brakensiek überzeugt. Den Beweis führt er täglich. Seit gut eineinhalb Jahren ist der promovierte Kunsthistoriker Treuhänder von etwa 4000 Blatt Druckgrafik und 3000 Plakaten. Als Kustos der Grafischen Sammlung der Universität Trier betreut der 1968 geborene Westfale den hauseigenen Grafik-Schatz, konserviert und mehrt ihn, und setzt ihn für die Lehre ein. Denn der dienen schließlich die druckgrafischen Zeugnisse. Als akademische Lehrsammlung wurden die Blätter 1982 - wenige Jahre nach Gründung der Universität - zusammengetragen."Wir wollen mit Hilfe unserer Grafiksammlung Studierende an das Besondere der Grafik heranführen, mit ihnen Ausstellungen erarbeiten, sie für Fragen der Konservierung sensibilisieren oder sie auf bestimmte grafikhistorische Fragestellungen bringen", erläutert Brakensiek das Lehrziel der Sammlung.

Letzteres heißt konkret: Über die Beschäftigung mit der Grafik lernen in Trier angehende Kunsthistoriker unterschiedliche Techniken wie Kupferstich, Radierung, Holzschnitt oder Schabtechnik zu unterscheiden. Stilvergleiche werden angestellt oder die Frage erörtert, wann und warum ein Künstler gerade die vorliegende Technik angewandt hat. Und natürlich geht es ums Sehen lernen - wie immer im kunstgeschichtlichen Studium. Was hat die Grafik, das Malerei oder Zeichnung nicht haben, lautet dann - salopp gesagt - die zentrale Frage. Im Sinn der Lehre ist die Sammlung breit angelegt. Reproduktionsgrafik - also Kunst nach Kunst - vom 16. bis ins späte 19. Jahrhundert bildet einen wesentlichen Teil des Bestandes.

Eine empfindliche Lücke innerhalb der deutschen Kunst konnte im vorigen Jahr geschlossen werden. Mit Hilfe der "Freunde der Universität" und der Sparkasse Trier gelang es, 516 Blätter aus einer Schweizer Privatsammlung aus der Zeit um 1800 zu erwerben. "Die Zeit zwischen 1750 und 1830 war für uns im deutschen Bereich bislang ein weißer Flecken", freut sich Brakensiek.

Einen sehr attraktiven Schwerpunkt bilden die annähernd 400 japanischen und chinesischen Farbholzschnitte des 18. bis frühen 20. Jahrhunderts. "Alle in sehr guter Qualität", bestätigt der Kustos. Berühmte Künstler wie Hiroshige, Utamaro oder Hokusai versammelt die fernöstliche Abteilung. Aber auch zeitgenössische Originalgrafiken - darunter Blätter des hochvirtuosen Horst Janssen - finden sich in Trier genauso wie reizvolle Arbeiten des Symbolisten Max Klinger (1857-1920).

Zugegeben: Angesichts der allgegenwärtigen bunten Bilderflut sei der Zugang zu den meist schwarzweißen Grafiken für manch einen zunächst mühsam, räumt Brakensiek ein. Doch das ändere sich meist schnell: "Sobald die Studierenden anfangen, sich intensiv mit der Grafik zu beschäftigen, erleben wir, dass sie ganz schnell vom schnellen Sehen absehen können." Das anfängliche Desinteresse schlage dann in Begeisterung um.

Übrigens soll es nicht bei der Theorie bleiben. Im Rahmen einer geplanten Kooperation mit der Europäischen Kunstakademie Trier wird es künftig auch praktisch zur Sache gehen.

Unter dem Stichwort "Die Praxis der Theorie" können Studierende sich dann selbst grafisch betätigen und ihr Wissen vertiefen. Das neue Modell will allerdings mehr sein als ein zusätzlicher "Hands on"-Kurs für Kunsthistoriker. "Damit wird ein Schwerpunkt gesetzt, der Trier bundesweit neu positioniert und die Ausbildung hier mit der Möglichkeit versieht, Grafik gleichsam von innen heraus zu lernen", so Brakensiek.

Wenn es um Positionierung geht, hat der Kunsthistoriker ohnehin jede Menge Ideen. Die Projektarbeit will er verstärken, die Zusammenarbeit mit anderen Häusern auch in Luxemburg ausbauen, die wissenschaftliche Bearbeitung der Sammlung vorantreiben.

Nachholbedarf besteht da bei den japanischen und chinesischen Blättern. Fürs kommende Jahr ist denn auch in Zusammenarbeit mit dem Städtischen Museum Paderborn eine Ausstellung mit wissenschaftlich bearbeitetem Katalog geplant, die sich dem japanischen Farbholzschnitt widmen.

Wünsche, was Neuerwerbungen angeht, hätte der Kustos genug. Doch das Geld ist knapp, der Etat klein (Zahlen mag Brakensiek nicht nennen). Ohne Förderer geht kaum etwas. "Wenn es interessante Blätter zum Ankauf gibt, dann muss man wirklich Klinken putzen und sehen, wie man das Geld zusammen bekommt."

Dabei sind die Trierer Kunsthistoriker auf ihre Grafiken angewiesen. Bedeutende Originalgemälde "live" gibt es angesichts der Entfernung zu großen Sammlungen eher selten. Und Dia bleibt Dia. Aber noch anderes soll die Grafik- Sammlung richten helfen: "Ich wünsche mir, dass wir im Rahmen der an der Universität einzuführenden Bachelor und Master-Studiengänge der Grafik eine Chance geben, den Standort im Wettkampf der Universitäten zu profilieren", wünscht sich Brakensiek.

Eva-Maria Reuther

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