Auf dem Sofa mit Anke

Gemeinsam mit Anke Wagner Deutschland-sucht-den-Superstar zu gucken, habe ich mir anders vorgestellt. Aufregender, lästerlicher, anstrengender, weniger sachlich irgendwie. Aber die Triererin, die sich vor genau zwei Jahren bei der damaligen DSDS-Staffel bis auf Platz sechs der RTL-Castingshow nach vorne sang, kann sich für die Superstars nicht richtig begeistern.

Gemeinsam mit Anke Wagner Deutschland-sucht-den-Superstar zu gucken, habe ich mir anders vorgestellt. Aufregender, lästerlicher, anstrengender, weniger sachlich irgendwie. Aber die Triererin, die sich vor genau zwei Jahren bei der damaligen DSDS-Staffel bis auf Platz sechs der RTL-Castingshow nach vorne sang, kann sich für die Superstars nicht richtig begeistern. Lediglich zweimal habe sie bisher bei den Motto-Shows vor dem Bildschirm gesessen, sagt sie ganz gelassen, ganz cool.Die von der Boulevard-Presse hochgekochten Skandälchen, dass das wenig eloquente Moderatoren-Duo ungeniert auffällig vom Teleprompter abliest, Dieter Bohlens ätzende Kritik - Themen, über die sich Samstag für Samstag Millionen vor den Bildschirmen aufregen - interessiere sie nicht wirklich. Fast scheint sie sogar unter dem Fernsehabend zu leiden: Während DSDS-Kandidat Didi - der Fahrlehrer, der früher ein Mädchen war - auf der Showbühne bei "Unchained Melody" vor lauter Gefühl das Gesicht verzieht als hätte er schwere Blähungen, und meine Freundin Jenny meint "Den find ich toll!", hat Anke Wagner offenbar tatsächlich Schmerzen: "Uhh, wie schief!", sagt sie und hält sich die Ohren zu. Jury-Mitglied Bohlen ignoriert die Vorlieben meiner Freundin und ist sich eins mit Anke: "Das war echt für'n Arsch", kanzelt Dieter Didi ab.

"Zwischen uns und denen liegen Welten"

Anders als ich findet Anke das nicht lustig. Zwar wüssten die Kandidaten, auf welche seelischen Strapazen sie sich einließen, aber die Anspannung sei ungeheuer: "Man fixiert die ganze Woche die Minute fünfzehn an, die man dann auf der Bühne steht", erzählt sie. Viel Zeit zum Proben bliebe nicht: Nur 15 Minuten Gesangstraining und 15 Minuten Bühnen-Coaching seien - zumindest bei der vorigen Staffel - von RTL vorgesehen. "Ansonsten ist die Woche angefüllt mit etlichen Presse-Terminen, und man hat immer den Walkman auf den Ohren, um den nächsten Titel zu üben."

Inzwischen buhlt das offenbar vor Testosteron strotzende Alphamännchen der DSDSler im Fernsehen um Publikumsstimmen. Der Halb-Italiener Nevio Passaro schmettert Eros Ramazottis "Se bastasse una Canzone" und lässt in der DSDS-Disziplin "leidend Gucken" den bis dato führenden Didi weit hinter sich. "Ach Gott, findet der sich toll", lockt das Gehabe selbst bei der ruhigen Anke Entrüstung hervor. Auch der Gesang von Nevio, der vor DSDS bereits einen Platten-Vertrag hatte, findet keine Gnade: "Schrecklich! Unrhythmisch und unauthentisch."

Diesmal ist die Jury anderer Meinung: "Bisher warst du der Beste", urteilt Bohlen sibyllinisch, "Nevio is back", lobt der Kölner Heinz Henn - schließlich hatte Nevio in den beiden vergangenen Shows kräftige Kritik einstecken müssen. "Da ist auch immer ein bisschen Politik dabei", sagt Anke, "wenn die Jury mehrmals hintereinander kritisiert hat, muss sie ja mal wieder was Positives sagen." Ihr selbst sei es damals umgekehrt gegangen: Mehrfach in den höchsten Tönen von der Jury gelobt, musste sie plötzlich harsche Kritik einstecken. "Ausgerechnet bei dem Auftritt, bei dem ich mir selbst am besten gefallen habe."

Jury-Politik hin oder her: "Bohlen ist auf jeden Fall der beste Juror", sagt Anke, "als Produzent ist er zwar nicht nach meinem Geschmack, aber sein Urteil ist immer treffend." Die anderen Jury-Mitglieder, die Musik-Manager Henn und Sylvia Kollek, seien dagegen "Luschen" und viel weniger kompetent als die Jury der vorherigen Staffel. Auch zwischen den stimmlichen Leistungen der Teilnehmer ihrer und der jetzigen Staffel lägen Welten: "Vielleicht, weil man bei uns aus 20 000 Bewerbern ausgewählt hat und jetzt nur noch aus 14 000", schätzt Anke. "Aber wenigstens die Töne könnten sie treffen, das ist schließlich erlernbares Handwerk. Von unter der Dusche gleich auf die Showbühne, das funktioniert nicht."

"Die hat so schöne Arme"

Dann scheint der Fernsehabend doch noch gerettet: "Oh wie schön!", ist Anke von Mike Leons Stimme verzückt. Ganz konzentriert verfolgt sie den Auftritt des mit 29 Jahren ältesten DSDS-Teilnehmers. "I need love, love's divine", haucht Mike-Leon nur vom Klavier begleitet ins Mikro. "Ein bisschen unsicher war er schon - aber er konnte sich ja auch nicht hinter einer Band verstecken", lobt Anke ihren Favoriten. "Das war bis jetzt der Beste!" Auch die Zuschauer in der Halle jubeln, und Anke wird ein bisschen sentimental: "Das war schon toll damals. Wenn das Publikum richtig mitgeht, ist das wunderbar. Am liebsten hätte ich mal eine ganze Show durchgesungen!"

Dann betritt "Lady Vanessa" die Bühne. "Lauter! Ich muss lauter machen!", ruft Anke jetzt doch begeistert und schnappt sich die Fernsteuerung. "Die hat so schöne Arme! Und so eine Bühnenpräsenz", gerät sie ins Schwärmen, um am Schluss wieder den kritischen Profi zu geben: "Sie hat den Song zu tief nach unten transponiert, die Stimme zittert und kommt nicht richtig durch. Und der Schluss war schief. Schade, eigentlich hat sie eine sehr gute Stimme."

Gegen Mitternacht, am Ende der Show, hat die schöne, aber stimmlich schwache Anna-Maria die wenigsten Publikums-Anrufe erhalten und fliegt raus. Der DSDS-Abend mit Anke Wagner auf meinem Sofa ist zu Ende. "Für mich war Didi der Schwächste", sagt sie. "Eine Platte würde ich allerdings von keinem kaufen." Christiane Wolff

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