Clueso im Interview

Schluss mit der kreativen Pause! Am 19.09. erschien sein neues Album „Stadtrandlichter“, am 02.11. erscheint Clueso persönlich im Atelier in Luxemburg. Wir sprachen mit dem Künstler über tiefgehende Musik und über sogenannte Halbjahresträume.

Du kommst gerade aus einem Bandmeeting - was wurde besprochen?
Wir haben uns gerade über die nächste Single-Auskopplung unterhalten.
Welche es sein wird, wie wir die aufnehmen und ob wir da noch was verändern. Das ist ein leidiges Thema, da wir einfach jeden Song auf dem Album lieben. Da diskutier' ich lieber gemeinsam mit allen, um herauszufinden, welcher Song sich am besten eignet. Nach dem schmissigen Hit "Freidrehen" möchte ich nun gerne in die Tiefe gehen.

Zu welcher Entscheidung seid ihr gekommen?
Wir sind zu keiner Entscheidung gekommen. Wirklich nicht.

Wo steckst du gerade?
Das frag' ich mich auch. (lacht) Wir sind gerade in München, im Olympiastadion und spielen auf einem Festival. Momentan sind wir auf Promotour und spielen jeden Tag woanders. Vorgestern waren wir in Saarbrigge. Das hat echt Spaß gemacht.

Wo würdest du im Moment lieber sein?
Ich find's gerade eigentlich ganz geil auf Tour zu sein und jeden Tag woanders zu spielen. Wir haben in Saarbrücken ein Spontankonzert gegeben. Da haben wir übrigens auch so ein Lied gespielt, was uns der Taxifahrer genannt hat: "Saarbrigge, wir spielen…" und so weiter. Das kam tierisch an. Ich bin gerne unterwegs momentan. Ich hab jetzt sehr lange am Album gearbeitet, war wie ein Astronaut, weg von der Erde. Ich find's deshalb cool, alles neu zu entdecken und mich wieder in der Rolle als Frontmann verwirklichen zu können.

Auf "Stadtrandlichter" vertonst du eine gute Mischung aus Texten zum Thema Aufbruch und Rückkehr. Kannst du dir vorstellen, eines Tages nicht mehr in die Heimat zurückzukehren?
Ich habe eine ziemlich blühende Fantasie. Ich kann mir alles vorstellen. Ich mag meine Künstler-WG, den Zughafen und eben meine Heimatstadt, besonders, weil ich die Chance habe, ab und zu raus zu kommen. Ich kann mir aber auch vorstellen, woanders hinzugehen, wenn sich die Situation ergibt. Ich kann mir alles vorstellen.

Woher kommt deine Heimatverbundenheit?
Für jeden sollte die Heimatstadt etwas Besonderes sein. Da hängt das Herz dran. Ich habe einfach Menschen um mich, bei denen ich sein möchte, mit denen ich was machen möchte. Wir haben unsere Halbjahresträume und haben natürlich nie damit gerechnet berühmt zu werden, können aber jetzt hier sehr gut arbeiten, ohne dass Erfurt dabei im Fokus steht. Erfurt ist wie ein Festival mit drei Floors, auf denen man dann hängen bleibt. Man hat hier schnell alles gesehen und es gibt diese drei Orte, die man dann immer wieder gern aufsucht.

Was beschäftigt dich derzeit und könnte Stoff für ein neues Album oder eine Single bieten?
Ich bin nicht der Typ Künstler, der sich häufig damit auseinandersetzt, was ihn beschäftigt, sondern lasse es in der Musik herauskommen. Mit der Musik kann man einen Raum schaffen, den man mit musikalischen Sachen bebildert und sich darin in irgendeiner Form entlädt. Deshalb mache ich gerne nachts Musik, weil da die Fragen aufhören und die Antworten kommen. Ich habe kein spezielles Thema im Kopf, um ehrlich zu sein.

Kannst du dir vorstellen, eines Tages ein Album zu produzieren, was einen völlig anderen Stil einschlägt?
Ein Lady-Gaga-Clueso-Album zum Beispiel? Ja, kann ich durchaus. Ich hab jetzt ein eigenes Label und will natürlich noch viel mehr durchdrehen in den nächsten Jahren. Ich muss jetzt einfach mal ein bisschen ausprobieren und sehen, was so kommt.

Du bist Musiker, Komponist und Produzent - ein Multitalent. Hast du eines deiner Lebensziele erreicht?
Ich habe Halbjahresträumchen und damit lebt man so Stück für Stück. Jetzt möchte ich die verwirklichten Träume weiter in Einklang bringen. Es ist nicht mehr so wie früher, als ich dachte, es sei dem Wahnsinn eines Menschen geschuldet ist, wo man steht, sondern eine Sache, die eine Eigendynamik entwickelt. Ich kämpfe jetzt mit beiden Komponenten, dem Wahnsinn und der Eigendynamik (lacht) und das ist mein nächster Halbjahrestraum.

Auf jeden Fall hast du einen neuen Lebensabschnitt erreicht - bist du zufrieden, mit der Situation in der du angekommen bist?
Ich weiß wo ich herkomme und wo ich jetzt stehe und damit kann man durchaus zufrieden sein. Aber ich bin nicht für Zufriedenheit gemacht und auch nicht für Sicherheit. Das würde mir nicht reichen. Ich muss immer etwas Neues machen. Das ist vielleicht auch ne Macke von mir.

Ein Tipp für deine Fans: Wann sollte man dein neues Album hören?
Als ich das Album gemacht habe, habe ich mir öfter mal Pausen gegönnt, war mit meinem Opa angeln, Tischtennis spielen etc. Das Album lief dann immer im Hintergrund. Ich habe das Gefühl, dadurch dass es ein großes Popalbum mit der Band ist, die sehr zu Wort kommt, kann man mit dem Album in jeder Situation Spaß haben. Es kann durchrauschen - dann macht es einfach ein gutes Gefühl. Ich höre es gerne im Auto, weil man sich da emotional fallen lassen kann. Einen allgemeinen Tipp kann ich nicht geben, man kann es überall hören. Ich würde eigentlich gerne wissen, wo meine Fans meine Musik hören.…

Ist es Musik, die man zum Vorglühen laufen lässt?
Die erste halbe Stunde ja, danach geht es zu sehr in die Tiefe. Dann wird wohl der erste in der Partyrunde nervös werden und auf einen Musikwechsel drängen. Es ist auf jeden Fall zur Einstimmung auf ein Konzert geeignet. Partyalben machen andere Künstler. In gemütlicher Runde abhängen - dafür passt es, aber zum Vorglühen nicht unbedingt.
Vielleicht ist ein Partyalbum mal eine Sache, die ich in Zukunft angehen könnte.

Wie würdest du dein aktuelles Publikum beschreiben?

Wenn wir große Konzerte spielen, ist es schon eine Art Familienausflug geworden. Ein Event, wo der eine schnuppert, was ich als nächstes mache, weil er mich von früher kennt. Der nächste kennt vielleicht nur einen Hit oder ist mitgekommen, weil seine Freunde meine Musik kennen. Ich treffe viele alte Fans, die meine Musik noch von früher kennen. Mit Udo Lindenberg ist eine neue Klientel gekommen und seither mischt sich mein Publikum einfach. Ich habe viele Fans, die mitgewachsen sind. Die Leute haben meine Musik gut auf dem Radar. Das sagt mir, dass sie größtenteils mitgewachsen sind.

Wie fühlt es sich an, wenn du vor einem Publikum performst, welches deine Texte vielleicht nicht versteht, weil deutsch nicht die Muttersprache ist?
Musik ist eine eigene Sprache. Ich persönlich habe immer sofort ein Gefühl, was die Musik betrifft. Ich war mal in Spanien auf einem Konzert. Der Gesang der Bands war auf Spanisch. Bei einer Band war da sofort ein "Spirit". Auch wenn man die Texte nicht versteht, kriegt man mit, ob die Musik bei einem selbst nur an der Oberfläche kratzt oder ob sie tiefer geht. Wir haben auch in Australien gespielt, meine Band hat eine gute Energie und kommt gut an, auch wenn unser Publikum die Texte nicht versteht.

Vielen Dank an Clueso!

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