„Come on, London!“ - Olympiastadt erhofft sich Boom

London (dpa) · Londons Bürgermeister Boris Johnson ist sich sicher: Olympia wird seine Stadt verändern - zum Besseren.

 Boris Johnson sieht London durch die Olympischen Spiele boomen. Foto: Andy Rain

Boris Johnson sieht London durch die Olympischen Spiele boomen. Foto: Andy Rain

Ungeachtet der Dauerdebatten über das Sicherheitsrisiko, die Finanzsorgen, das befürchtete Verkehrschaos und die teuren Tickets erhofft sich auch Premierminister David Cameron einen Boom von den Spielen in der englischen Hauptstadt. Johnson verspricht sogar die „größte Show auf Erden“.

London macht es sich nicht leicht mit seiner dritten Olympia-Gastgeberschaft nach 1908 und 1948. Statt über magische Sport-Momente oder Goldmedaillen einheimischer Helden wie Radchampion Chris Hoy wird in der Millionenmetropole seit Monaten mehr über Streiks von U-Bahnfahrern, Mietwucher und die ausufernde Verteidigung der Stadt diskutiert. 25 000 Sicherheitskräfte sollen London während Olympia schützen. Die Kosten dafür sind auf mehr als eine Milliarde Pfund (etwa 1,26 Milliarden Euro) gestiegen. Dabei steckt Großbritannien seit Jahren in einer schlimmen Wirtschaftskrise und muss jeden Penny zweimal umdrehen.

„Wir werden fantastische Spiele in Großbritannien abliefern“, kündigt Organisationschef Sebastian Coe unbeirrt an. Alles war so schön eingefädelt. Seit sich London im Boom-Jahr 2005 erfolgreich für die Spiele beworben hatte, macht an der Themse das Wort „Legacy“ die Runde - „Vermächtnis“. Die Spiele von 2012 sollen in London ein Erbe hinterlassen. Für 9,3 Milliarden Pfund (11,5 Milliarden Euro) hat der Staat über die Olympia-Behörde „Olympic Delivery Authority“ (ODA) Sportstätten und Infrastruktur gebaut. Wenn Olympia vorbei ist, haben die Londoner einen neuen Park geerbt, wie er in Größe und Ausstattung seit 150 Jahren nicht mehr angelegt wurde.

Über die Themse führt jetzt eine Seilbahn, der Bahnhof St. Pancras hat ein neues Gesicht, und überall werden Straßen und Bürgersteige erneuert. Auch wenn das Ganze viermal soviel kostet wie bei der Bewerbung veranschlagt wurde: Vieles wäre ohne Olympia nicht oder nicht so schnell möglich gewesen. „Lasst uns diese Chance nicht in den Wind schießen“, ruft die örtliche Parlamentsabgeordnete Rushanara Ali von der Labour-Partei allen Olympia-Kritikern entgegen.

Und obwohl das Murren bisweilen groß ist, scheint der Plan aufzugehen. London macht mit den Olympischen Spielen nichts weniger, als einen gesamten Stadtteil von bitterer Armut in die Mittelklasse zu transformieren. Der Olympiapark entsteht auf einer Brachfläche, die bis 2005 zu großen Teilen als Müllhalde genutzt wurde. Bevor es überhaupt mit den Bauarbeiten losgehen konnte, musste erst einmal zwei Millionen Tonnen kontaminierter Boden entgiftet werden.

In der Folge wurden Wiesen angelegt und der Flusslauf des Lea-Rivers renaturiert. 4000 Bäume wurden gepflanzt, ein Holzschnitzel-Kraftwerk wurde gebaut und ein Olympisches Dorf aus dem Boden gestampft, das später tausenden Familien ein Heim geben wird. Das alles in einem Stadtteil, in dem die Arbeitslosigkeit und der Drogenkonsum um ein Vielfaches höher sind, als in den feinen Vierteln des Londoner Westens. Auch die Gesundheitsversorgung ist im Osten der Stadt um einiges schlechter: „Die Lebenserwartung sinkt mit jeder U-Bahn-Station um ein Jahr“, sagt der Bürgermeister des Olympia-Boroughs Newham, Sir Robin Wales.

Seit 2005 steckte der Staat sechs Milliarden Pfund in die marode Londoner Verkehrsinfrastruktur. S-Bahn-Linien wurden gebaut, U-Bahn-Züge und Oberleitungen erneuert. Damit ist längst nicht alles gut im überfüllten Großstadtmoloch - aber vieles besser. Und den Londonern wird in diesem Sommer ein Eventfestival an Kultur- und Sportveranstaltungen geboten, wie es das in dieser Form noch nie gegeben hat - und vermutlich auch nie mehr geben wird.

Premier Cameron glaubt, dass die derzeit in der Rezession befindliche britische Wirtschaft schon im nächsten olympischen Zyklus von vier Jahren mit 13 Milliarden Pfund von den Spielen in London profitieren wird. Er stützt sich dabei auf eine Untersuchung der Großbank Lloyds. Allein sechs Milliarden Pfund sollen durch Direktinvestitionen ausländischer Geldgeber ins Land fließen.

Cameron versucht den olympischen Geist in gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit zu überführen und veranstaltet noch während der Spiele einen großen Wirtschaftsgipfel. „Um die Chance wirklich beim Schopfe zu packen, müssen wir mehr daraus machen, als einen Einmaleffekt, mehr als nur ein Sommer-Märchen“, sagt der Premier. Noch murrt London. Noch stöhnt die Acht-Millionen-Einwohner-Metropole unter der Last der Spiele, bevor sie überhaupt begonnen haben. Spätestens bei der Eröffnungsfeier am 27. Juli werde seine Stadt „ihr schönstes Gesicht“ zeigen, prophezeit Olympia-Macher Coe, „und die Welt verzaubern“.

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