David Lynch: Mister Surreal wird 70

Selten kopiert, nie erreicht: Regisseur David Lynch, der es wie kein Zweiter zu verstehen weiß, surreale Welten auf Film zu bannen, wird 70.

David Lynch: Mister Surreal wird 70
Foto: s_bukley / Shutterstock.com

Fällt in bierseliger Runde der Name David Lynch, scheinen sich wie durch Zauberhand zwei Lager zu bilden, jeweils ähnlich kompromissbereit wie Apple-Jünger und Apple-Hasser. Die einen lieben Lynchs surreale Welten und die extra Portion Analysebereitschaft, die sie den Zuschauern abverlangen. Die anderen erkennen in seinen wirren Erzählungen nicht mehr als prätentiöses Möchtegern-Kunst-Kino, das von seiner Willkür lebt. Lynch polarisiert, das steht außer Frage. Anlässlich seines 70. Geburtstages hier die wichtigsten Fakten zu seinem Leben und Schaffen.

Die Absurdität gepachtet

Im Buch "Lynch über Lynch" schildert der Filmemacher: "Meine Kindheit bestand aus eleganten Einfamilienhäusern, Alleen, dem Milchmann, Burgenbauen im Garten, Flugzeuggebrumm, blauem Himmel, Gartenzäunen, grünem Gras und Kirschbäumen." Gleich mit seinem ersten Film schien Lynch all diese kindliche Idylle so gut es ging negiert zu haben. "Eraserhead" aus dem Jahr 1977 kam mit einem mühsam zusammengesparten Budget von 20.000 Dollar als eine Ode an das Abstrakte daher. In einer postapokalyptischen Welt, die irgendwo zwischen Alptraum und Realität zu verordnen ist, geht es um deformierte Menschen, parasitäres Sperma und - wie der Titel verrät - menschliche Köpfe, die zu Radiergummis verarbeitet werden.

// Mit Filmen wie "Blue Velvet", "Wild At Heart", "Lost Highway" und seinem wohl bekanntesten Film, "Mulholland Drive", setzte Lynch seinen Siegeszug als Meister der Surrealität fort, wobei erstgenannter Film wohl noch der stringenteste ist. Darin dröselt Lynch in Film-Noir-Optik die vermeintliche Idylle einer US-Kleinstadt auf und offenbart das Düstere, Böse, das stets im Verborgenen lauert. Sechs Jahre später sollte mit "Twin Peaks" und erneut Kyle MacLachlan in der Hauptrolle eine Serie ins US-Fernsehen kommen, die optisch und erzählerisch sehr stark an "Blue Velvet" erinnerte.

Bei "Wild At Heart" mit Nicolas Cage hingegen handelte es sich hingegen ganz klar um eine Hommage an den Film "Der Zauberer von Oz", aus dem Lynch eine Art Märchen-Roadmovie bastelte.

Mit "Lost Highway" und "Mulholland Drive" offenbarte Lynch (neben der Liebe zu Rammstein) sein Faible, mit den Identitäten seiner Figuren zu spielen. So wechseln sich in beiden Filmen scheinbar wahllos einige Charaktere ab. Steht dieser Kunstgriff für Tagträume, frühere Leben, oder etwas gänzlich anderes? Wie bei vielen seiner Filme gibt es auch in "Mulholland Drive" keine klare, lineare Handlung und dagegen viel Raum zur Interpretation.

Es geht auch normaler

Doch nicht immer hat sich Lynch dem surrealen Kino verschrieben. Gleich sein zweiter Film "Der Elefantenmensch" beruhte auf wahren Begebenheiten. Im Streifen geht es um den bemitleidenswerten John Merrick (John Hurt), der aufgrund einer körperlichen Deformation auf einem Jahrmarkt als Elefantenmensch zur Schau gestellt wird. Erst der Chirurg Frederick Treves (Anthony Hopkins) erkennt, dass es sich bei ihm um kein Monster, sondern einen freundlichen und intelligenten Mann handelt. "Der Elefantenmensch" wurde für acht Oscars nominiert, von denen er allerdings keinen ergattern konnte.

Eine wahre Geschichte erzählte Lynch auch in "The Straight Story". Darin begibt sich ein älterer Herr mit seinem Aufsitzrasenmäher auf eine Reise quer durch die USA, um seinen kranken Bruder zu besuchen. Und auch das Sci-Fi-Opus "Dune", basierend auf dem gleichnamigen Buch von Frank Herbert, ist für Lynchs Verhältnisse ungemein gradlinig.

"Ich sehe dich in 25 Jahren wieder"

Der letzte Feature-Film von Lynch liegt nun schon recht lange zurück. 2006, also vor gut 10 Jahren, erschien mit "Inland Empire" sein bislang letzter. Stattdessen konzentrierte er sich zuletzt immer mehr auf das Genre des Kurzfilms, mit dem er 1966 einst seine Karriere begann. Doch am meisten warten seine Fans derzeit auf seine Auflösung des längsten Cliffhangers der Serien-Geschichte: In "Twin Peaks" versprach Laura Palmer: "Ich sehe dich in 25 Jahren wieder." Diese Worte fielen vor 24 Jahren, Lynch arbeitet Berichten zufolge schon mit Hochdruck an neuen Folgen der Kult-Serie, 2017 sollen sie erscheinen.

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