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"Das Fass Amontillado". Rund 30 Jahre steht der kleine, inzwischen leicht lädierte Band in meinem Bücherregal. Immer wieder habe ich ihn hervorgeholt, um in die wunderbar geschriebenen Schauergeschichten von Edgar Allan Poe einzutauchen.

Als junger Mensch muss ich bereits ein Faible für ganz besondere Weine gehabt haben, denn die Erzählung "Das Fass Amontillado" regte mich seinerzeit an, eine Flasche dieser spanischen Sherry-Sorte zu kaufen. Was muss das für ein Wein sein, der einem Mörder als Köder dient, einen ihm verhassten Menschen umzubringen? Das Opfer, ein genussfreudiger Weinkenner, lässt sich in einen tiefen Keller locken, er genießt die edlen Tropfen, die ihm langsam zu Kopfe steigen und seine Sinne trüben. Der Mörder aber schenkt mit kalter Präzision seinem Opfer immer wieder nach und führt ihn schließlich zum Fass, gefüllt mit dem edlen Amontillado. Aber das Fass bleibt unberührt. Der Mörder hat inzwischen den völlig Ahnungslosen in einer Kellernische angekettet und beginnt in aller Seelenruhe und größtem Vergnügen den verhassten Menschen einzumauern. Dann ist es still, das Mauerwerk ist vollendet. "Seit einem halben Jahrhundert hat kein Sterblicher es angerührt", heißt es am Ende. Die Flasche Amontillado habe ich übrigens auch niemals angerührt. Nach etwa 15 Jahren habe ich den Inhalt in die Spüle gekippt.

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