"Die Eifel ist überall. Neue Wege führen nicht nur nach Rom"

Polch · Die Prinzenrolle oder Tuc-Cracker - wer kennt die nicht? Es sind zwei der bekanntesten Produkte der Griesson - de Beukelaer GmbH & Co. KG, einem Unternehmen mit einem Exportanteil von mehr als 40 Prozent. Sein Hauptsitz ist in Polch (Landkreis Mayen-Koblenz). Ein Gespräch mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Andreas Land unter anderem über die wirtschaftliche Vereinbarkeit von Tradition und Innovation.


Sie werden im September beim Unternehmerforum in Wittlich (siehe Extra) über Boden ständigkeit und Globali sierung sprechen. Ist das nicht ein Widerspruch?

Land: Bodenständigkeit limitiert nicht, sondern sie ist eine Geistestugend, die sich auf Werte, Ursprünge und bewährte Prioritäten besinnt. Daraus kann ein Geschäft entwickelt werden, das auf dem globalen Parkett besteht. Gerade unser Metier ist doch häuslich verwurzelt: Jeder hat schöne Kindheits erinnerungen an Weih nachts kekse oder den Bäcker von nebenan. Für uns ist die Verbindung zu unseren handwerklichen Wurzeln daher ganz wichtig.

Das klingt romantisch. Aber Sie führen einen modernen Industriebetrieb im inter nationalen Wett bewerb.

Land: Nein, das ist keine Romantik, sondern diese kollektiven, archetypischen Bilder bestimmen faktisch unsere Branche. Das Gros unserer Produkte bleibt über Jahrzehnte so, wie es die Kunden gewohnt sind und wollen. Der Erfolg basiert auf der Vertrautheit. Echte Innovationen machen nur bis zu einem Viertel des Marktes aus. Da greifen Inspirationen aus anderen Kulturen: Ameri can Cookies beispiels weise haben sich als trag fähiger Trend auch auf dem euro päischen Markt er wiesen.

Ist also das innovative Potenzial ausgereizt?

Land: Das wäre die Sicht weise von Pessimisten. Nein, natürlich gibt es ständige Weiter entwick lungen, auch bei den Ver packungen oder im Bereich Convenience (Anm. d. Red.: leichte Verfüg barkeit, zusammen mit Food = Essen: bequemes Essen). Wir haben ein systema tisches Innova tions manage ment mit Versuchsbäckerei, Labor, Marktforschung und Pro duktentwicklung. Die Kon sumenten werden all mählich experimentier freudiger. Vor allem in den saturierten Kernmärkten für Feingebäck - also in Deutschland und anderen Industriestaaten - kommt es darauf an, Produkte mit neuen Geschmacks erleb nissen oder auch mit inno vativen Verpackungen zu kreieren. Zudem gibt es kulturelle Besonderheiten der Märkte: In Groß britan nien etwa ist Cheese-Cake ein Muss, in der Schweiz wiederum liegt der Schoko ladenanteil be sonders hoch. Dort legt man auch vergleichsweise mehr Wert auf nachhaltige Qualität.

Sie betonen in Ihren Unternehmensleitlinien Aspekte wie Nachhaltigkeit, gentechnikfreie Zutaten oder Rohstoffe, die ohne Kinderarbeit produziert werden. Dennoch gehen Sie damit nicht offensiv an die Öffentlichkeit. Warum?

Land: Natürlich müssen wir hohe Auflagen erfüllen und werden streng kontrol liert. Wir selbst achten sehr auf die nach haltige Qualität von Ingredienzien - so unter stützen wir die ressourcenschonende Erzeugung von Palmöl und die von uns ver wende ten Eier stammen aus Boden haltung. Wichtige Zutaten wie Mehl oder Butter stammen darüber hinaus großenteils aus der Region. Als Marketing instrument setzen wir die Kriterien allerdings nicht ein - zum einen, weil sie selbst verständlich sein sollten. Zum anderen wäre es bei den turbulenten globalen Rohstoffmärkten, mit denen wir es zu tun haben, jedoch vermessen zu garantieren, dass diese Aspekte bei unseren Zulieferern auch künftig flächendeckend berück sichtigt werden. So ist es auf der ganzen Welt kaum noch möglich, gentechnik freies Soja zu bekommen.

Wie wirkt sich überhaupt die grassierende Rohstoffknappheit auf Ihr Unternehmen aus?

Land: Es stimmt, die Beschaffungsketten werden allgemein schwieriger, etwa was die genannte gentechnikfreie Produktion von Soja, Mais, Reis oder Lecithin betrifft. Wir kön nen im ganzen Nahrungs mittel sektor nicht von einer dauer haften Be schaffungs sicherheit ausgehen, sondern von stärkeren Schwankungen in den Verfügbarkeiten. Manche Rohstoffe sind in letzter Zeit für die gesamte Lebens mittelbranche um bis zu hundert Prozent im Preis gestiegen. Das heißt konkret, dass wir auf Dauer Preiserhöhungen an die Verbraucher weitergeben müssen - eine Entwicklung ohne Umkehr. Die Ver braucher in Deutschland sind seit Jahrzehnten sta bile oder gar fallende Preise für alle Lebensmittel gewohnt. Das wird sich definitiv umkehren.

In vielen Bereichen wird spürbar, dass bei den Konsumenten ökologisches und Gesundheits bewusst sein wichtiger wird. Ist das bei Ihnen ein Thema?

Land: Kaum, es gibt keine verstärkte Nachfrage nach Vollkorn-, Bio- oder Lightprodukten. Wer Feingebäck isst, der weiß per se, dass nun mal Zucker und Fett darin enthalten sind. Da wird auch nichts verschleiert. Der Konsument hat die freie Wahl, ob und in welchem Maß er das zu sich nimmt. Ein Trend ist allerdings
die Reduktion von Zusatz stoffen: Es wird in gewisser Weise wieder handwerklicher, indem auf Farb- oder Konservierungsstoffe zunehmend verzichtet wird. Die Zutatenlisten werden überschaubarer.

Das macht Produkt information einfacher. Manche Hersteller setzen in letzter Zeit verstärkt auf Produktinformation, um für sich zu werben, anstatt auf Emotionen als Verkaufs argument. Wie halten Sie es mit den Werbebotschaften?

Land: Das kommt sehr auf das jeweilige Produkt an. Bei "Leicht & Cross", einem knusprigen Brot, geht es eher um die Aufklärung über den Mehrwert für die Ernährung. Bei den Erfrischungs-Sticks oder Soft Cake steht der Genussfaktor im Vordergrund. Werbung darf, auch wenn sie über Produkte aufklärt, nicht belehrend daherkommen.

Noch einmal zurück zu Ihrem Vortragsthema beim Unternehmerforum Wittlich im September, "Die Eifel ist überall ...". Wie sehen Sie den Standort Polch im Land kreis Mayen-Koblenz - ist er ideal für ein inter national agierendes Unternehmen?

Land: Unsere Branche ist aus historischen Gründen zumeist auf dem Land angesiedelt, weil die Nähe zu den Rohstofferzeugern einst ausschlaggebend war. Aber noch heute ist dies ein hervorragender Standort. Die Verkehrsinfrastruktur stimmt und die Verfügbar keit von Technologien. Auch die Mitarbeiterstruktur ist exzellent. Natürlich können wir bei den hochqualifi zierten Kräften nicht jedes Profil bekommen - aber das wollen wir auch gar nicht. Wir suchen bodenständige Charaktere, die zu uns passen. Dafür kooperieren wir mit Schulen, Fachhoch schulen und Universitäten, aber wir "fischen" nicht bei den High Potenzials glo baler Konzerne. Bei uns dürfen junge Leute sehr viel, sie tragen hohe Eigen ver antwortung in einem mittelständisch geprägten Unternehmen. Wir haben ein kontinuierliches Ver besserungsprogramm eingerichtet, angelehnt an die japanische Kaizen- Philosophie, um die betrieblichen Abläufe zu optimieren. Darüber hinaus geht es in einem um fassenden Weiter bildungs programm neben fach licher Fortbildung auch um Zeit- und Selbst management, um arbeits psychologische Faktoren, um Fitness oder um Kommu nikation. Das alles zieht die richtigen Menschen an.

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