Die Region braucht eine echte Regierung

Die Region braucht wieder eine echte Regionalregierung. Das fordert der Trierer Soziologe Bernd Hamm. Er reagiert damit auf die Neuordnung der Initiative Region Trier (IRT), die künftig von den beiden Wirtschaftskammern geführt wird.

Trier. (wie) Der Trierer Soziologe Bernd Hamm hat Ideen entwickelt für eine effektivere regionale Zusammenarbeit. Mit ihm sprach unser Redakteur Bernd Wientjes.

Braucht die Region weiter eine Organisation wie die IRT?

Hamm: Ja, auf jeden Fall. Immer mehr Menschen begreifen, dass ihnen die Globalisierung neben einigen Vorteilen auch erhebliche Nachteile bringt - bei der aktuellen Finanzkrise besonders sichtbar. Deshalb soll eine nachhaltige Regionalentwicklung die eigenen Kräfte stärken und gegen externe Einflüsse besser abschirmen. Regionale Wirtschaftskreisläufe sollen besser geschlossen, Wertschöpfung und Beschäftigung sollen in der Region gehalten, die Energieversorgung regionalisiert werden. Eine solche Initiative muss zu einer Art Entwicklungsagentur für die Region werden.

Was soll sie anders machen als die bisheriger IRT?

Hamm: Eine regionale Entwicklungsagentur muss die Denkfabrik der Region werden. Gemeinsam mit der regionalen Planungsgemeinschaft würde sie regionale Orientierungs-, Koordinations- und Planungsaufgaben übernehmen. Die regionale Entwicklungsagentur könnte mittelfristig zu einer Regionalregierung werden, die die Aufgaben der heutigen regionalen Akteure - die Wirtschaftskammern, der Abfallzweckverband, der Verkehrsverbund oder die Trierer Stadtwerke, die Energieagentur - zusammenfasst und ergänzt. Eine solche Agentur muss ein klar formuliertes, regionales Entwicklungskonzept erarbeiten, das laufend fortgeschrieben wird.

Warum konnte das die IRT bisher nicht leisten?

Hamm: Das regionale Entwicklungskonzept ist in weiten Bereichen bei Wünschen und abstrakten Hoffnungen stehen geblieben, weil es keine andere Möglichkeit gab, widerstreitende Interessen auf einen Nenner zu bringen. Es hat keine unmittelbare Ansprache der Bevölkerung gegeben. In einzelnen Teilen ist es naiv und geht an der Wirklichkeit vorbei. Es hat die Frage nicht beantwortet, wer denn in Zukunft als Akteur die Projekte und die Erfolgskontrolle durchführen soll und welche Kompetenzen dazu nötig sind.

Was hat der normale Bürger von einer Regionalagentur?

Hamm: Zahlreiche Aufgaben können auf der kommunalen Ebene nicht befriedigend gelöst und schon gar nicht ausreichend finanziert werden - denken Sie nur an das Theater der Stadt Trier. Heute lösen wir das über Zweckverbände mit ihren jeweils eigenen Entscheidungsmechanismen und Gremien. Wenn aber immer neue Aufgaben hinzukommen - Wirtschaftsförderung, Tourismus, Standortentwicklung und andere - dann wird das ineffizient und zu teuer. Wir brauchen dann auf jeden Fall eine demokratische Beteiligung der Bürger, etwa durch die Wahl eines parlamentarischen Gremiums wie einen Regionalrat. Dieser soll als übergeordnetes Gremium Orientierung für die gesamte Politik der Region geben.

Für wie realistisch halten Sie es, dass es irgendwann tatsächlich eine schlagkräftige Interessenvertretung für die gesamte Region gibt?

Hamm: Die Umstände, insbesondere die Finanzlage werden uns dazu zwingen. Die Regionalagentur wird die interne Vielfalt - etwa erkennbar an den Dachmarken Eifel, Mosel, Hunsrück - nicht zudecken, sondern unterstützen. Sie wird auf der anderen Seite kompetenter Gesprächspartner in der Großregion Saar-Lor-Lux sein. Extra Regionalentwicklungskonzept: Es soll dazu dienen, die Region als Lebensmittelpunkt fortzuentwickeln. 1999 wurde für die Region Trier zum ersten Mal ein Regionalentwicklungskonzept vorgelegt. Es hat keinen förmlichen Charakter und bindet niemanden. Ein solches Konzept beruht auf dem Konsens der politischen Akteure. Planungsgemeinschaft: Rheinland-Pfalz ist in Regionen eingeteilt. Die Planungsgemeinschaft Region Trier ist für das Gebiet der Stadt Trier, des Eifelkreises Bitburg-Prüm sowie der Landkreise Bernkastel-Wittlich, Trier-Saarburg und Vulkaneifel für Regionalplanung und Aufgaben der Regionalentwicklung zuständig. Neben den Kommunen gehören die beiden Wirtschaftsgremien der Planungsgemeinschaft an. (wie)Zur Person Bernd Hamm, 64, leitete von 1968 bis 1978 ein Planungsbüro und war Berater des Stadtplanungsamtes Bern. 1977 wurde er Professor für Siedlungs-, Umwelt- und Planungssoziologie in Trier. 2008 ging er vorzeitig in Ruhestand. (wie)

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