Die richtige Mischung macht's

Auch bei Kunst und Kultur ist ohne "Moos" nichts los. Aber über den Erfolg einer Kulturhauptstadt entscheidet längst nicht allein die Höhe des Etats. Zu diesem Schluss kam ein Autorenteam des Instituts für soziale Bewegungen in Bochum.

 Der blaue Hirsch war das Symbol des Kulturhauptstadtjahres in der Großregion. TV-Foto: Friedemann Vetter

Der blaue Hirsch war das Symbol des Kulturhauptstadtjahres in der Großregion. TV-Foto: Friedemann Vetter

Bochum/Essen/Luxemburg/Trier. (dpa/hpl) Bedeutsam für die langfristige internationale Anerkennung der jeweiligen "Kulturhauptstadt Europas" ist, ob die Stadt oder Region im Hauptstadtjahr ein unverkennbares Profil gewinnen konnte. So lautet das Resümee eines achtköpfigen Autorenteams unter der Leitung von Jürgen Mittag vom "Institut für soziale Bewegungen" in Bochum.

Geld für Infrastruktur und Bauprojekte



Die Wissenschaftler haben die Kulturhauptstädte der vergangenen 25 Jahre von Athen bis Luxemburg und Sibiu in Rumänien analysiert und herausgefunden: "Es gibt nicht die Kulturhauptstadt-Formel", sagte Politikwissenschaftler Mittag. Auch angesichts des Etats von "nur" rund 62 Millionen für Essen und das Ruhrgebiet in diesem Kulturhauptstadt-Jahr braucht also kein Lokalpatriot vor dem stolzen 600-Millionen-Haushalt des Hauptstadt-Partners Istanbul zu zittern. Hier fließt der größte Teil in die Infrastruktur und in Bauprojekte der Bosporus-Metropole.

Wichtige "Bausteine" für eine hohe Anerkennung als Kulturhauptstadt seien mehr als das Geld ein deutlicher Städtewandel, ein Imagegewinn und die klare Darstellung des "europäischen Gedankens", meinen die Bochumer Experten. Angesichts der Neubauten von Bahnhöfen bis zu Museen zwischen Duisburg, Essen, Dortmund und Hagen und der Betonung des Wandels einer Industrieregion als paneuropäisches Thema habe das Revier gute Chancen. "Die Zeichen stehen nicht schlecht für den Erfolg der Ruhrgebiets-Kulturhauptstadt", prophezeit Mittag.

Auch wenn die europäische Verankerung durch mehr Kooperation mit den 2010-Hauptstadtpartnern Pecs (Ungarn) und Istanbul noch verbessert werden könnte. Die richtige Mischung aus ambitionierter Kultur und Stadterneuerung hat schon Glasgow (1990) oder Lille (2004) auf die Beine geholfen. Insider sprächen sogar von einem regelrechten "Glasgow-Effekt", berichtet der Bochumer Wissenschaftler.

Mit dem damals gewaltigen Etat von 60 Millionen Euro habe sich die britische Problemstadt mit Stadtumbau und Kultur neu erfunden und ist so bis heute zum Hoffnungsträger aller nachfolgenden Kulturhauptstädte geworden.

Wie sehr die weite Welt ihren Blick auf die Kulturhauptstadt Europas wirft, haben die Bochumer am Beispiel von Graz (2003, Etat 59,2 Millionen Euro) akribisch ermittelt.

In 37 Ländern sind 9000 Presseartikel über die Landeshauptstadt der Steiermark erschienen, rund 100 internationale Fernseh-Sender berichteten. Beim Kulturprogramm als dem Herzstück des Geschehens dürfe keine "Beliebigkeit" einreißen, dürfe aber auch nicht allein die Hochkultur gepflegt werden, rät Mittag. Es brauche aber einen Roten Faden. Diesen vermisse er noch bei dem Ruhrgebiets-Programm: "Es hat sonst eher erschlagenden als profilierenden Charakter."

Buchtipp: Jürgen Mittag "Die Idee der Kulturhauptstadt Europas", Klartext Verlag, Essen

extra

1995 und 2007 war Luxemburg Europäische Kulturhauptstadt - bei der zweiten Auflage gemeinsam mit der Großregion. Das umfangreiche Kulturprogramm fand breite Resonanz, auch in Trier, das die Konstantin-Ausstellung beisteuerte. Als Nachfolge-Organisation der Kulturhauptstadt 2007 hat sich im Herbst 2008 der Verein "Kulturraum Großregion" gegründet, der für drei Jahre EU-Fördermittel in Höhe von insgesamt 600 000 Euro erhält. Er ist paritätisch mit Vertretern aus den Teilregionen besetzt. Zu seinen Aufgaben gehört die Initiierung grenzüberschreitender Projekte ebenso wie die Unterstützung von Künstlern, die Partner für gemeinsame Aktivitäten in der Großregion suchen. (red)

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