Geschichte Als der Stammesgott Lenus ein Römer wurde

Region · In Gallien vermischten sich keltische und römische Glaubensvorstellungen – Das wichtigste Heiligtum der Treverer befand sich im heutigen Trierer Irminenwingert.

 Dieses Modell des Lenus-Mars Tempelbezirks im Irminenwingert im heutigen Trier-West zeigt im Rheinischen Landesmuseum die Dimensionen des Heiligtums.

Dieses Modell des Lenus-Mars Tempelbezirks im Irminenwingert im heutigen Trier-West zeigt im Rheinischen Landesmuseum die Dimensionen des Heiligtums.

Foto: Friedemann Vetter

Will man nach Spuren der Kelten – und insbesondere der Treverer – in der Region suchen, dann stellt sich zuerst ein ganz grundlegendes Problem: die Definition, wer als Kelte und was als keltisch gilt. Ganz so einfach wie bei Asterix und Obelix ist es nämlich nicht. Hinkelsteintragende, wildschweinverzehrende, von Druidentränken zauberkraftgestärkte Männer, die sich mutig den feindlichen Römern entgegenstellen gehören dann doch eher ins Reich der Literatur und nicht zu Geschichte und Archäologie.

Von den frühen Kelten sind keine schriftlichen Zeugnisse überliefert, die nachweisen könnten, wer sich zu welcher Zeit einer keltischen Sprache bedient hat oder sich einem keltischen Volksstamm zugehörig fühlte. Der Begriff taucht erst bei griechischen und römischen Geschichtsschreibern der Antike auf, zum Beispiel bei Herodot im 5. Jahrhundert v. Chr. Allgemein wird daher von Kelten erst in der Eisenzeit, genauer der Hallstatt- und Latènezeit (8. bis 1. Jh. v. Chr.) gesprochen. In der Region fällt dies mit der Hunsrück-Eifel-Kultur zusammen. Zumindest deren zweite Phase ab dem 5. Jh. v. Chr. ist klar keltisch geprägt. Der Volksstamm der Treverer wird namentlich allerdings erst im 1. Jh. v. Chr. in Cäsars „Gallischem Krieg“ erwähnt.

Die Siedlungsgeschichte der Region ist wesentlich älter: So befinden sich zum Beispiel auf dem Ferschweiler Plateau in der Südeifel einige Menhire wie der Druidenstein und das Frabillenkreuz, das erst in christlicher Zeit zu seiner heutigen Form umgestaltet wurde. Das Alter der Steine wird auf bis zu 5000 Jahre geschätzt. Zwar stammt das Wort „Menhir“ aus dem Bretonischen, einer keltischen Sprache, ist aber eine Neuschöpfung und kein Beleg dafür, dass solche Steine von „Kelten“ errichtet wurden. Und die Bezeichnung „Druidenstein“ ist auch nur als spätere Erklärung der einheimischen Bevölkerung zu verstehen.

Eindeutig keltisch sind eine Reihe von Fürstengräbern – zum Beispiel die „Prinzessin von Schengen“, die vor 25 Jahren beim Anlegen einer Sandgrube in einem keltischen Gräberfeld gefunden wurde. Sie starb vor etwa 2500 Jahren und erhielt kostbare Grabbeigaben wie Armreife, Halsketten und Spangen. Die Funde wurden 2018 erstmals im Biodiversum in Remerschen ausgestellt und sollten als Wanderausstellung im März nach Morbach in den Archäologiepark kommen, was sich jedoch durch die Corona-Pandemie verzögert. Der Vicus Belginum war selbst eine keltisch-römische Siedlung, die von etwa 400 v. Chr. bis 400 n. Chr. bestand. Neben einem Gräberfeld wurden dort auch mehrere Tempel gefunden.

Weitere Fürstengräber sind vor allem aus dem Saarland bekannt – etwa aus Nonnweiler-Schwarzenbach, Gersheim-Reinheim, Tholey-Theley und Weiskirchen. Weil sich aber die gesellschaftliche Stellung der Bestatteten nicht eindeutig bestimmen lässt, wird statt von Fürstengräbern heute meist von Prunk- oder Elitegräbern gesprochen. Nicht ganz so prunkvoll ausgestattet ist das keltisch Wagengrab von Bell im Hunsrück, das auf etwa 500 v. Chr. datiert wird und eines der ersten seiner Art in der Region ist. Spätere Wagengräber finden sich auch an der Mosel und in der Eifel, etwa in Enkirch und Gransdorf.

Mit der Ankunft der Römer im 1. Jh. v. Chr. beginnen sich keltische und römische Kultur in der Region zu vermischen, insbsondere nach dem Tod von Kaiser Domitian (90 n. Chr.) wurden die Treverer immer stärker romanisiert. Viele archäologische Funde aus dieser Zeit sind daher als gallorömisch zu bezeichnen. Im Bereich der Religion vermischten sich römische und keltische Vorstellungen; nach der „Interpretatio romana“ wurden keltische mit römischen Göttern identifiziert. Prominentestes Beispiel dafür ist der Lenus-Mars-Tempel im Bereich des heutigen Irminenwingerts. Lenus, vermutlich der Stammesgott der Treverer, wurde mit dem römischen Mars gleichgesetzt – weniger in dessen Funktion als Kriegsgott, sondern vor allem als Heilgott. Vom Markusberg fließt dort das Wasser aus einer heute als „Heideborn“ bekannten Quelle, der möglicherweise schon in vorrömischer Zeit heilende Wirkung zugesprochen wurde. Eine modellhafte Rekonstruktion im Rheinischen Landesmuseum Trier zeigt die monumentalen Ausmaße der Anlage inklusive eines Theaters für kultische Zwecke. Die Dimensionen lassen vermuten, dass es sich um eine Art „Nationalheiligtum“ der Treverer gehandelt hat. Ein weiterer großer Tempel befand sich in Trier am Herrenbrünnchen, welcher Gottheit er geweiht war, ist jedoch unbekannt. Eine Besonderheit ist der Tempelbezirk im Trierer Altbachtal, in dem über vier Jahrhunderte mindestens 70 Bauwerke zur Verehrung der unterschiedlichsten Götter entstanden, die ältesten aus vorrömischer Zeit, die jüngsten dem Mithras-Kult zugehörig. Unter anderem wurde ein Relief der Pferdegöttin Epona gefunden.

Auch aus dem Tempelbezirk auf dem Metzenberg bei Tawern ist neben einem Apollo und Merkur geweihten Altar ein Epona-Relief bekannt. Außerdem wurden dort die ägyptischen Gottheiten Isis und Serapis verehrt, was von einer außergewöhnlichen Glaubensflexibilität zeugt.

Nicht nur Lenus, sondern auch der keltische Intarabus wurde mit dem römischen Mars identifiziert, wie die Inschrift auf einem Denkmal in Ernzen zeigt. Als Rekonstruktion stehen dort hinereinander ein Altar und ein Baldachin, tatsächlich war der „Altar“ aber wohl das Fundament für den Baldachin. In der Nische befand sich eine Statue, die aber nicht erhalten ist.

In Bitburg befindet sich der Nachbau einer Jupitersäule, zusammengesetzt aus Kopien verschiedener Funde. Solche Säulen gab es nur in den nördlichen Provinzen des römischen Reichs, in Germanien und Gallien, so dass ein Einfluss anderer als der Religionen als der Römischen anzunehmen ist. Während in Bitburg die Figur des Jupiter auf einem Thron sitzt, zeigen andere Säulen – eindeutig unter keltischem Einfluss – den Gott reitend und mit einem Giganten kämpfend. Ebenfalls aus Bitburg stammt ein Relief mit den Heilgottheiten Grannus (in der Interpretatio romana: Apollo) und Sirona. Beide Figuren sind allerdings nur zur Hälfte erhalten. Apollo Grannus und Sirona wurden unter anderem auch in Hochscheid im Hunsrück verehrt, dort war ihnen ein Umgangstempel geweiht. Heute stehen in Hochscheid ein kleiner Sirona-Pavillon und eine moderne Darstellung der Göttin Sirona.

Im Tempel auf dem Metzenberg in Tawern wurde auch die keltische Pferdegöttin Epona verehrt.

Im Tempel auf dem Metzenberg in Tawern wurde auch die keltische Pferdegöttin Epona verehrt.

Foto: Friedemann Vetter
 Die gallorömische Jupitersäule in Bitburg.

Die gallorömische Jupitersäule in Bitburg.

Foto: Daniel John
 Das in Bitburg gefundene Relief zeigt links Apollo Grannus und rechts Sirona – beide nur zur Hälfte erhalten.

Das in Bitburg gefundene Relief zeigt links Apollo Grannus und rechts Sirona – beide nur zur Hälfte erhalten.

Foto: Daniel John
 Dieses Denkmal in Ernzen ist dem keltischen Gott Intarabus geweiht. Anders als in dieser Rekonstruktion standen beide Teile ursprünglich wohl aufeinander.

Dieses Denkmal in Ernzen ist dem keltischen Gott Intarabus geweiht. Anders als in dieser Rekonstruktion standen beide Teile ursprünglich wohl aufeinander.

Foto: Daniel John

Viele keltische und gallorömische Zeugnisse der Region sind wahrscheinlich noch gar nicht entdeckt. Die antike Geschichte könnte also auch in Zukunft noch einge Überraschungen und neue Erkenntnisse über das frühere Leben in der Region bereithalten.

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